Stellungnahme
zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes des Bundesjustizministeriums vom 01.10.2012
über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes
Frau RAin Claudia Holzner, LL.M. aus Hamburg hat sich mit Referentenentwurf differenziert auseinandergesetzt und befindet die geplante Neuregelung als ungenau, nicht mit dem Kindeswohl vereinbar und für die Praxis untauglich.
Im Rahmen der medizinisch nicht indizierten Beschneidung auf Grund elterlicher Einwilligung widerstritten bislang diverse grundrechtlich relevante Rechtspositionen.
Auf der einen Seite stand das Verbot der Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 StGB als Ausdruck des Grundrechtsschutzes des Kindes auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 1
Var. 2 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Recht auf Wahrnehmung der Persönlichkeit gem. Art. 1 Abs. 1 GG.
Auf der anderen Seite stand das elterliche Erziehungsrecht gemäß §§ 1626, 1629 BGB als Ausfluss des Art. 6 Abs. 2 GG und dem Grundrecht auf Religions- und Religionsausübungsfreiheit der
Eltern gem. Art. 4 Abs. 1 u. Abs. 2 GG.
Ebenso war die passiv-negative Glaubensfreiheit des Jungen gem. Art. 4 Abs. 2 GG betroffen, in die durch das an die Eltern gerichtete religiöse Beschneidungsgebot tendenziell eingegriffen
wird.
Der Gesetzesentwurf zur Beschneidung in Form des in das BGB einzufügenden § 1631 d „Beschneidung des männlichen Kindes“ verdeutlicht, dass in Anbetracht des hohen Gewichts eines in jüdischen und
muslimischen Religionsgemeinschaften seit Jahrtausenden verankerten Ritus der Religionsfreiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern der Vorrang vor den Selbstbestimmungsrecht des Kindes und
dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit eingeräumt wurde.
Dies ist in Anbetracht des Regimes des Deutschen Grundgesetzes widersprüchlich. Die rechtliche Grundordnung unseres Landes ist im Grundgesetz verankert. Das Grundgesetz steht über der Religion.
Dass unsere Rechtsordnung es mit der Autorität des Grundgesetzes so festgelegt hat, ist für manchen, der sich an einem Akt der Religionsausübung gehindert sieht, ein bitterer Befund.
Bei einer Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen muss die Religionsfreiheit der Eltern hinter das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes zurücktreten. Es kann
letztlich nicht darauf ankommen, ob die Beschneidung in der jeweiligen Religion verankert ist oder wie gravierend die Folgen des Eingriffs sind. Aus verfassungsrechtlicher Sicht
rechtfertigt die Ausübung eines Freiheitsrechtes niemals, die körperliche Integrität eines anderen zu verletzen, es sei denn aus Gründen der Notwehr oder eines Notstandes.
Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit stellt gleichwohl das höhere Rechtsgut dar. Zudem greift die Fürsorgepflicht der Eltern.
Gleichwohl wird die Beschneidung durch den aktuellen Gesetzesentwurf als „sozialadäquat“ bewertet. Der Entwurf sieht vor, dass die einzufügende Regelung sogar in das Recht der Personensorge gem.
§ 1631 d BGB eingegliedert werden soll. Der Gesetzgeber ist insoweit der Ansicht gefolgt, dass Knabenbeschneidungen tradierter Bestandteil des kulturellen Selbstverständnisses seien und mit dem
Prädikat „sozialadäquat“ versehen kein strafbares Unrecht darstellten. Diese These ist gewagt.
An dem vorgelegten Entwurf zur Knabenbeschneidung, welcher die rituelle Beschneidung von Jungen zur Aufnahme in ihre Religionsgemeinschaft seitens des Gesetzgebers grundsätzlich als straffrei
legitimiert, besteht gesetzgeberischer Ergänzungsbedarf.