Frau RA'in Claudia Holzner lotet im vorliegenden Aufsatz die verschiedenen Optionen einer Beschäftigung von angestellten Ärzten oder Weiterbildungsassistenten nach Beendigung der Weiterbildungszeit in einem gesperrten Planungsgebiet aus.
Vertragsärzten stellt sich häufig die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, Weiterbildungsassistenten nach Beendigung der Fachausbildung oder neu anzustellende Ärzte in Gemeinschaftspraxen oder
Berufsausübungsgemeinschaften in einem gesperrtem Gebiet zu beschäftigen.
Das vorliegende Kurzgutachten stellt Möglichkeiten für eine Beschäftigung dar. Die neue Bedarfsplanungsrichtlinie für Ärzte vom 01.01.2013 ist berücksichtigt. Es wird von einem gesperrten Gebiet
und von der Beschäftigung des/der Arztes/Ärztin mit zu erbringenden Leistungen im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages ausgegangen.
1. Beschäftigung als Weiterbildungsassistent/ -in in einem anderen Fachgebiet
Fraglich ist, ob der/die Arzt/Ärztin nach Beendigung der Ausbildungszeit als Weiterbildungsassistent/-in für ein anderes Fachgebiet beschäftigt werden kann. Zu beachten ist, dass bei der
Anstellung des/der Weiterbildungsassistenten/-in dessen/deren Beschäftigung nicht der Vergrößerung der Kassenpraxis (Fallzahlsteigerung um mehr als 25 %) oder der Aufrechterhaltung eines
übergroßen Praxisumfangs dienen darf. Problematisch ist weiterhin, dass der/die Arzt/Ärztin unter Umständen nicht ausschließlich auf dem gewünschten Fachgebiet einsetzbar ist. Sollte dies
von den Beteiligten durch den Praxisbetrieb benötigt oder gewünscht sein, scheidet die Möglichkeit, den/die Arzt/Ärztin auf einem anderen Fachgebiet als Weiterbildungsassistenten/-in einzusetzen
aus.
2. Beschäftigung aufgrund einer Sonderbedarfszulassung gem. § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V
Nach § 101 Abs.1 S.1 Nr.3 SGB V hat der G-BA in seinen Richtlinien Vorgaben zur Erteilung von Sonderbedarfszulassungen zu beschließen. Dies ist durch die Neuregelung in § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
SGB V dahingehend präzisiert und erweitert worden, als dass es insbesondere um die Deckung eines zusätzlichen lokalen oder eines qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarfes innerhalb einer
Arztgruppe zu gehen hat. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Sonderbedarfszulassung als Instrument zur Feinsteuerung der Versorgungssituation ausgestaltet werden. Es ist nicht davon
auszugehen, dass Sonderbedarfszulassungen künftig vermehrt oder nach vollkommen anderen Maßstäben erteilt werden, so dass weiterhin auf die seitens der Rechtsprechung hierzu entwickelten
Voraussetzungen abzustellen ist.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung aufgrund eines lokalen oder qualifikationsabhängigen Versorgungsbedarfes sind durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisiert
worden. Aus der Rechtsprechung des BSG und konkret im Urteil vom 28. Juni 2000, B 6 KA 35/99 R sowie im Urteil vom 19. März 1997, Az.: RKa 43/96 ergibt sich eindeutig, dass ein lokaler
Versorgungsbedarf nur dann in Betracht kommt, wenn nach der Bedarfsplanung zwar ausreichend Vertragsarztsitze der betreffenden Planungsgruppe im Planungsbereich vorhanden, diese aber ungünstig
verteilt seien. Eine separate Bedarfsplanung für unterschiedliche Facharztbezeichnungen innerhalb derselben Bedarfsplanungsgruppe ist mit der Richtlinie nicht zu vereinbaren.
3. Beschäftigung aufgrund des Verzichtes eines der Vertragsärzte auf eine „halbe Zulassung“ bei gleichzeitiger Ausschreibung dieses halben Sitzes zur Nachbesetzung
Die Rechtslage hierzu ist umstritten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertritt die Auffassung, dass eine entsprechende Nachbesetzung nicht möglich ist. Die gesetzliche Regelung zur
Ausschreibung des Vertragsarztsitzes im Nachbesetzungsverfahren bei Ende der Zulassung durch Verzicht gem. § 103 Abs. 4 SGB V umfaßt zumindest ihrem Wortlaut nach nicht eine Beschränkung des
Versorgungsauftrags auf die Hälfte.
Sinn und Zweck dieser Regelung ist die Sicherung der wirtschaftlichen Verwertungsfähigkeit einer Praxis im gesperrten Gebiet. Dies resultiert aus der verfassungsrechtlich verbürgten
Eigentumsgarantie. Beschränkt der Vertragsarzt seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte, würde er bei der strengen grammatikalischen Auslegung erhebliche Rechtsnachteile erleiden, da er die
freiwerdende Hälfte seines Vertragsarztsitzes nicht ausschreiben könnte. Dies kann der Gesetzgeber so nicht gewollt haben. Vielmehr ist der Ansicht des Sozialgerichtes München (Beschluss vom
15.1.2008 - S 38 KA 17/08) zu folgen, dass der Gesetzgeber bedingt durch ein redaktionelles Versehen den hälftigen Verzicht auf eine Zulassung als Voraussetzung einer Ausschreibung nicht
vorgesehen habe. § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist im Lichte des Artikel 14 GG (Eigentumsgarantie und Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) verfassungskonform auszulegen und um den
Fall einer Beschränkung auf den hälftigen Versorgungsauftrag zu erweitern. Auch nach der hälftigen Entziehung der Zulassung besteht ein Ausschreibungsanspruch hinsichtlich des entzogenen Teils
gem. §§ 95 Abs. 6 Satz 2 SGB V iVm 27 Ärzte-ZV. Ein Arzt, der freiwillig seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt, darf nicht schlechter behandelt werden als ein Arzt, dem die
Zulassung zur Hälfte entzogen wird.
Folgt man dieser sozialgerichtlichen Auffassung, so wäre die „Teilung der Zulassung“ eine entsprechende Gestaltungsalternative. Dies gilt vor allem dahingehend, als dass sie sich zur strikt
leistungsbegrenzten Job-Sharing Gemeinschaftspraxis insofern abgrenzt, als dass Leistungen aufgrund einer halben Zulassung - ausgehend vom halben Budget und im Rahmen der allgemeinen Grenzen der
Honorarverteilung - ungestört wachsen könnten.
Zu beachten ist allerdings, dass diese Form der Weiterbeschäftigung nur möglich ist, wenn der/die anzustellende oder weiterzubeschäftigende Arzt/Ärztin auf dem identischen Fachgebiet und
innerhalb genau derselben Fachplanungsgruppe tätig wird, denn für die Frage der Besetzung eines vertragsarztrechtlichen Sitzes kommt es darauf an, ob die betreffenden Ärzte der identischen
Fachgruppe gemäß der Weiterbildungsordnung angehören.
So heißt es in § 41 BedarfsPlRL „Fachidentität bei gemeinsamer Berufsausübung in Absatz 1: „Bei der gemeinsamen Berufsausübung ist eine Fachidentität im Sinne des § 101 Absatz 1 Nummer 4 SGB V
erforderlich. Fachidentität liegt vor, wenn die Facharztkompetenz und, sofern eine entsprechende Bezeichnung geführt wird, die Schwerpunktkompetenz übereinstimmen.“
Die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung für eine/n Arzt/Ärztin als Erbringer/-in von Leistungen auf einem ärztlichen Fachgebiet kommt daher auf einem hälftigen Vertragsarztsitz ausschließlich
dann in Betracht, wenn absolute Fachidentität bei demjenigen Vertragsarzt besteht, der den hälftigen Verzicht ausübt und demjenigen, der entsprechend hälftig nachbesetzt wird.
4. Zulassungsverzicht eines bereits in der Praxis befindlichen Vertragsarztes zwecks hälftiger Anstellungen ( § 103 Abs. 4a, 4b SGB V ) in Verbindung mit der späteren Umwandlung von zwei
hälftigen Arztstellen in Zulassungen
Bei dem Verzicht eines Vertragsarztes nach § 103 Abs. 4a oder 4b SGB V auf seine Zulassung, um bei einem anderen Vertragsarzt oder einem Medizinischen Versorgungszentrum als angestellter Arzt
tätig zu werden, besteht ein Anspruch auf Erteilung der Anstellungsgenehmigung. Die Zulassungsgremien konnten in der Vergangenheit nicht prüfen, ob dadurch am bisherigen Praxisstandort eine
erhebliche Versorgungsbeeinträchtigung entstand. Nach dem GKV-VStG dürfen die Zulassungsgremien bei einem Verzicht zugunsten eines anderen Vertragsarztes eine Anstellungsgenehmigung nur dann
nicht erteilen, wenn dem Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen. Ein Verzicht sollte daher in diesen Fällen nur unter der Bedingung der Genehmigung der Anstellung ausgesprochen
werden; eine solche aufschiebende Bedingung ist als Potestativbedingung auch zulässig.
Neu geregelt und von Bedeutung ist, dass diese nach § 103 Abs. 4a, 4b SGB V zurückgegebenen Zulassungen zu einem späteren Zeitpunkt in eine Zulassung rückgewandelt werden können.
Langfristig hätte das weitere Fehlen einer solchen Regelung zu nachteiligen Folgen für die Freiberuflichkeit des Vertragsarztes geführt. Mit jeder Zulassungsumwandlung durch Verzicht wäre der
Anteil der freiberuflich erbrachten Leistungen dauerhaft gesunken und der Anteil der im Anstellungsverhältnis erbrachten Leistungen gestiegen. Diesen Widerspruch hat der Gesetzgeber nun
aufgelöst.
Bedarfsplanerisch ist es unerheblich, ob eine Zulassung oder eine Arztstelle vorliegt. Aus der Gesetzesbegründung zu § 95 Abs. 9 b SGB V ergibt sich, dass aus der Sicht der Bedarfsplanung für die
Bestimmung des Versorgungsgrades kein Unterschied zu machen ist zwischen einem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt als angestellter Arzt oder als niedergelassener
Vertragsarzt. Nach § 95 Abs. 9 b SGB V kann eine Arztstelle auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umgewandelt werden, sollte der Umfang der
Tätigkeit des/der angestellten Arztes/Ärztin einem ganzen oder halben Versorgungsauftrag entsprechen.
Es kann somit ratsam sein, im Rahmen des Anstellungs- oder Weiterbeschäftigungsvorhabens zunächst auf einen ganzen Vertragsarztsitz zu verzichten. Dieser Verzicht ist an die Bedingung zu koppeln,
dass eine hälftige Anstellung auf dem gewünschten Fachgebiet für den verzichtenden Vertragsarzt erfolgt. Und weiterhin eine hälftige Anstellung des/der anzustellenden Arztes/Ärztin mit dem dann
(erst durch den Verzicht auf einen halben Versorgungsauftrag) möglichen Nachweis des entsprechenden ärztlichen (Fallzahlen-)Bedarfes gegenüber der KV.
Gegenüber der KV ist dann aber zu beachten, dass darüber hinaus die Abgabe einer Erklärung notwendig ist, den Praxisumfang nach Anstellung nicht wesentlich zu überschreiten, sofern nicht
Ausnahmen zur Deckung eines lokalen Versorgungsbedarfs bestehen.
Die Honorarsituation bleibt unverändert. Zulässig sind laut § 14a BMV-Ä je Vertragsarzt nicht mehr als drei Vollzeitbeschäftigte
oder Teilzeitbeschäftigte in einer Anzahl, die in zeitlichem Umfang ihrer Arbeitszeit drei Vollzeitbeschäftigten entspricht. Die Leistungen des angestellten Arztes werden vom Vertragsarzt
abgerechnet, auch dann wenn es sich um einen fachfremden Arzt handeln sollte, denn der Vertragsarzt ist alleiniger Partner des Behandlungsauftrages.
Die angestellten Ärzte, die mindestens halbtags beschäftigt sind, sind Mitglieder der KV. Im weiteren Verlauf könnte einer der anstellenden Vertragsärzte der Praxis mit dem Antrag auf Umwandlung
ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V verbinden. Das würde zunächst bedeuten, dass bei mehreren Bewerbern eine Auswahlentscheidung durch den Zulassungsausschuss zu treffen ist. Wird
der Antrag auf Umwandlung nicht mit der Einleitung eines Nachbesetzungsverfahrens nach §103 Abs. 4 SGB V verbunden, so erhält der bisher auf der Arztstelle angestellte Arzt die Zulassung im
Umfang seines jeweiligen Versorgungsauftrages, das heißt zu 50 % der bisherige Vertragsfacharzt (welcher seinen Sitz an die KV vollumfänglich zurückgegeben hat) sowie zu 50 % der/die neu
anzustellende Arzt/Ärztin.
Entscheidet man sich für diese Lösung, ist auch in besonderem Maß darauf zu achten, dass mit dem/der neu in die Praxis aufgenommen Arzt/Ärztin ein Wettbewerbsverbot vereinbart wird. So geht
bei einem Ausscheiden des/der neuen Arztes/Ärztin der hälftige Sitz der Gemeinschaftspraxis oder der Berufsausübungsgemeinschaft nicht verloren.
Im Hinblick auf die Bedarfsplanung und Zulassungssperren in vielen Planungsbereichen stellte sich bereits in der Vergangenheit die Frage, ob der ausscheidende Gesellschafter dazu verpflichtet
werden kann, zum Ausscheidenszeitpunkt auf seine Vertragszahnarztzulassung zu verzichten, damit sein Vertragszahnarztsitz bei der Gemeinschaftspraxis bleibt und dort mit einem Nachfolger besetzt
werden kann.
Zu dieser Frage war die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in der Vergangenheit uneinheitlich. Für Vertragsärzte gibt es zwei höchstrichterliche Urteile (BGH-Urteile vom 22. Juli 2002, Az: II
ZR 265/00 und 90/01). In beiden Fällen haben die Richter die vertragliche Verpflichtung zum Verzicht auf die Vertragsarztzulassung als wirksam anerkannt, weil die schützenswerten Interessen des
bzw. der in der Gemeinschaftspraxis verbleibenden Partner jeweils die Interessen des Ausgeschiedenen überwogen. Bei der Abwägung der Interessen beider Parteien wurde dem Umstand, dass die
ausgeschiedenen Partner jeweils nur einen relativ kurzen Zeitraum der jeweiligen Gemeinschaftspraxis angehörten, hohes Gewicht beigemessen. Entscheidend war die Frage der Mitprägung der Praxis,
die bei einer kurzen Angehörigkeit zur Praxis verneint wird.
Wird eine Verpflichtung zum Verzicht auf die Vertragsarztzulassung in den Gemeinschaftspraxisvertrag aufgenommen, bleibt es somit ratsam, vorsorglich eine Verzichtserklärung unterzeichnen zu
lassen, die mit dem Antrag auf Nachbesetzung beim Zulassungsausschuss eingereicht wird. Die Verzichtserklärung ist gesondert schriftlich zu fixieren und bei einem neutralen Dritten in Verwahrung
zu geben. Damit der Vertragsarztsitz im Falle des Ausscheidens wieder besetzt werden kann, ist die Vereinbarung im Fall des Ausscheidens des/der betreffenden Arztes/Ärztin durch den neutralen
Dritten an den Zulassungsausschuss zu übersenden.
Claudia Holzner, Rechtsanwältin, LL.M. (Medizinrecht)
Hamburg, den 11.08.2013