Das Werbeverbot für Ärzte ist im Heilmittelwerbegesetz (HWG) geregelt. Bis zum Herbst 2012 unterlag das HWG strengen Anforderungen. Gemäß § 11 HWG durfte außerhalb von Fachkreisen für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nur sehr eingeschränkt geworben werden. Mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ hat der Gesetzgeber Änderungen und Anpassungen des HWG eingeführt, die das Heilmittelwerberecht liberal an die Regelungen der entsprechenden EU-Richtlinie angepasst und an die Rechtsprechungsrealität angenähert haben. Die Änderungen wirken sich vor allem auf die Öffentlichkeitsarbeit aus, so dass nunmehr ein Mehr an Öffentlichkeitsarbeit möglich ist, ohne sich in einer rechtlichen Grauzone zu bewegen.
1. Arzneimittelwerbung mit Gutachten und wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist zulässig
Bislang war nach § 11 Absatz 1 Nr. 1 HWG die Arzneimittelwerbung mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen darauf verboten: „Außerhalb
der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen darauf.“ Durch die HWG-Novelle
wurde dieses Verbot ersatzlos gestrichen. Solche Werbung ist nun möglich, solange der Verbraucher nicht durch die persönliche Meinung einer Person, die durch Fachkunde oder auf Grund ihrer
Bekanntheit beim Verbraucher besonderes Vertrauen erweckt, beeinflusst wird.
Weiterhin darf zukünftig mit Gutachten (enthält eine allgemein vertrauenswürdige Beurteilung eines Sachverhalts im Hinblick auf eine Fragestellung oder ein vorgegebenes Ziel, wobei die allgemeine
Vertrauenswürdigkeit in Deutschland durch die öffentliche Bestellung und Vereidigung, sowie die Zertifizierung erreicht wird) und Zeugnissen (schriftliche fachliche Bescheinigung eines
fachkundigen Verfassers, der bestimmte Tatsachen oder Beobachtungen testiert) geworben werden.
2. Empfehlungen von Wissenschaftlern und Ärzten sind zulässig
Gem. § 11 Absatz 1 Nr. 2 HWG darf nun grundsätzlich auch mit Empfehlungen von Ärzten geworben werden, denn es heißt nun in § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG: „Außerhalb der Fachkreise darf für
Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der
Tiergesundheit tätigen oder anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen.“
Weiterhin erlaubt wird das Werben mit den Merkmalen: „ärztliche Prüfung“, „ärztlich geprüft“, „ärztlich getestet“ oder „fachlich geprüft“. Bei der Prüfung steht die wissenschaftlich-forschende
Erprobung als objektiv erhärtetes Qualitätsurteil im Mittelpunkt, so z.B. bei einem Hinweis auf ein positives Testergebnis. Ebenfalls früher verboten und jetzt erlaubt ist die Werbung mit dem
Attribut der „ärztlichen Anwendung“. Es geht um die Werbung mit regelmäßigen und erfolgreichen „ärztlichen Anwendungen“ des Arzneimittels.
3. Werbung mit Krankengeschichten ist zulässig
Bislang hieß es in § 11 Absatz 1 Nr. 3 HWG: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf.“ Dieses
Verbot wurde aufgelockert; der neue § 11 Absatz 1 Nr. 3 lautet: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit
Hinweisen darauf, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose
verleiten kann.“
Somit kommt es auf die Form und die Umstände der Wiedergabe von Krankengeschichten an. Danach ist die Werbung mit der Wiedergabe von Krankengeschichten verboten, wenn sie in missbräuchlicher,
abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Darstellung zu falscher Selbstdiagnose verleiten kann.
4. Werbung mit bildlicher Darstellung der Berufskleidung und bei der Berufsausübung sind zulässig
Bislang lautet § 11 Absatz 1 Nr. 4 HWG: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit der bildlichen Darstellung von Personen in der Berufskleidung oder bei der
Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder des Arzneimittelhandel“, das sogenannte "Weißkittelverbot". Diese Vorschrift wurde vollständig aus dem Gesetz
entfernt, so dass mit entsprechenden bildlichen Darstellungen u.a. von Personen in Berufskleidung (z.B.„Arztkittel“) geworben werden darf.
5. Die Zulässigkeit der sog. „Vorher-Nachher“ Bilder
Die erheblich gelockerte Vorschrift des § 11 Absatz 1 Nr. 5 HWG lautet nun: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit einer bildlichen Darstellung, die in
missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen
Körper oder in Körperteilen verwendet.“
Die Änderung in § 11 Absatz 1 Nr. 5 HWG erfolgt in Anpassung an die wesentlich engere Regelung in Art. 90 lit. k der Richtlinie 2001/83/EG. Danach sind bildliche Darstellungen der Veränderungen
des menschlichen Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen oder der Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen eben nur dann unzulässig, wenn dies in
missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt. Etwas anderes gilt für den Bereich der Schönheitsoperationen, dort darf nicht mit Vorher-Nachher-Bildern geworben werden, da § 11
Absatz 1 Nr. 5 HWG ausdrücklich nicht für die Werbung bei plastisch-chirurgischen Eingriffen gilt.
Neu wurde in § 11 Absatz 1 Satz 3 HWG nach § 11 Absatz 1 Satz 2 HWG folgender Passus eingefügt: „Ferner darf für die in § 1 Nummer 2 genanntenoperativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht
mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden.“ In Bezug auf die bildliche
Vorher-Nachher-Darstellung im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen wird die strenge geltende Werbebeschränkung aufrechterhalten. Vorher-Nachher Bilder und sind damit - dies entgegen der
bisherigen Rechtsprechung - im Rahmen der Werbung für sog. „Schönheits-OPs“ unzulässig.
6. Werbung mit fremd- und fachsprachlichen Bezeichnungen ist zulässig
Bislang hieß es in § 11 Absatz 1 Nr. 6 HWG: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit fremd oder fachsprachlichen Bezeichnungen, soweit sie nicht in den
allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind.“ Diese Vorschrift wird ersatzlos gestrichen. Fremd oder fachsprachliche Bezeichnungen sind in der Werbung außerhalb von Fachkreisen erlaubt,
es sei denn, dass mit der Verwendung von fremd- oder fachsprachlichen Begriffen eine Irreführung verbunden ist.
7. Arzneimittelwerbung durch das Auslösen von Angstgefühlen ist unzulässig
§ 11 Absatz 1 Nr. 7 HWG besagt nun: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Werbeaussagen,die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des
Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte.“ Damit wird der Begriff des Hervorrufens oder des Ausnutzens von Angstgefühlen konkretisiert. Die Norm sollte an
Bestimmtheit gewinnen.
8. Arzneimittelwerbung bei Veröffentlichungen mit Anleitung zur Selbstdiagnose ist zum Teil zulässig
§ 11 Absatz 1 Nr. 10 HWG wird aufgehoben. Dieser lautete: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Veröffentlichungen, die dazu anleiten, bestimmte
Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden beim Menschen selbst zu erkennen und mit den in der Werbung bezeichneten Arzneimitteln, Gegenständen, Verfahren, Behandlungen oder
anderen Mitteln zu behandeln, sowie mit entsprechenden Anleitungen in audiovisuellen Medien.“
Diese bisherige Regelung wird – soweit sie die Verleitung zu einer falschen Selbstdiagnose betrifft – von dem nun geänderten § 11 Absatz 1 Nr. 3 HWG erfasst (siehe unter 5.). Das Verleiten zu
einer richtigen Selbstdiagnose ist in Bezug auf die Heilmittelwerbung somit rechtlich unproblematisch.
9. Werbung mit Dankesbekundungen von dritter Seite sind zulässig
Vor der Novellierung lautetet § 11 Absatz 1 Nr. 11 HWG: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs-
oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen.“
Nach der Novelle soll nur noch das missbräuchliche Werben unzulässig sein. Es heisst: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter,
insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.“
Die Richtlinie 2001/83/EG verbietet Angaben in der Arzneimittelwerbung, die zu einer falschen Selbstdiagnose führen könnten. Abgestellt wird dabei auf eine „konkrete Gefährdung“ des Verbrauchers.
Ein absolutes Verbot besteht, wenn die Bezugnahmen auf Äußerungen Dritter u.a. in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.
Da somit eine gewisse Unsicherheit verbleibt, was konkret erlaubt ist, wird ein Restrisiko bei dieser Art der Werbung einzugehen sein, bis die Rechtsprechung hierzu nähere Angaben erlaubt.
10. Arzneimittelwerbung mit Preisausschreiben ist zulässig
In § 11 Absatz 1 Nr. 13 HWG hieß es bislang: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis
vom Zufall abhängig ist.“ Nun heisst es: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis
vom Zufall abhängig ist, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten.“
Verlosungen und Preisausschreiben sind im Rahmen der Arzneimittelwerbung somit erlaubt. Sind diese allerdings so gestaltet, dass sie zu einer übermäßigen und nicht mehr funktionsgerechten
Einnahme des beworbenen Arzneimittels anregen könnten, sind sie unzulässig. Die Verlosung von Arzneimitteln selbst ist nicht erlaubt. Dagegen sprechen die Vorschriften der Richtlinie, die eine
direkte Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit durch die pharmazeutische Industrie zum Zweck der Verkaufsförderung untersagen, Art. 88 Absatz 6, Art. 96 Absatz 1 der Richtlinie
2001/83/EG sowie § 11 Absatz 1 Nr. 14 HWG.
11. Werbung mit Abgabe von Mustern und Proben von Arzneimitteln ist unzulässig
Gem. § 11 Absatz 1 Nr. 14 HWG, der besagt „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel (…) nicht geworben werden durch die Abgabe von Arzneimitteln, deren Muster oder Proben oder durch
Gutscheine dafür“ ist die Abgabe von Arzneimitteln zum Zwecke der Verkaufsförderung unverändert ausdrücklich untersagt.
Claudia Holzner, Rechtsanwältin, LL.M. (Medizinrecht)
Hamburg, den 28.01.2014