Bundessozialgericht Urt. v. 14.12.2011, B KA 39/10 R - Nachfolgezulassung
L e i t s a t z: Für die Festsetzung des Verkehrswerts einer Praxis durch die Zulassungsgremien ist kein Raum, wenn der ausscheidende Vertragsarzt sich mit allen Bewerbern bereits im Vorfeld über
einen Kaufpreis geeinigt hat.
Auf die Festsetzung des Verkehrswertes durch die KV kommt es auch nach § 103 Abs. 4 SGB V dann nicht mehr an, wenn die Parteien (abgebender Arzt und kaufbereiter Arzt) sich vorher über den Kaufpreis einer Praxis bereits einig geworden sind und der Bewerber die gesetzlichen Kriterien der Geeignetheit, welche durch die KV zu überprüfen sind, erfüllt.
OLG Koblenz 5. Zivilsenat, Urteil v. 01.12.2011 - 5 U 95/10
1. Es liegt ein Befunderhebungsfehler vor, wenn ein Arzt nach einer abgeklungenen Staphylokokken-Infektion, die medikamentös mit Antibiotika behandelt wurde, keine endgültige Diagnosestellung
hinsichtlich einer interspinalen Infektion (hier: Spondylodiszitis) vornimmt, obwohl es auf der Grundlage von Bildbefunden und im Hinblick auf die klinische Symptomatik Hinweise auf eine sol- che
gab und sie sich durch starke Rückenschmerzen des Patienten manifestiert.(Rn.18)
2. Die Unterlassung einer medizinisch gebotenen Befunderhebung führt zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Befunderhebungsfehlers für einen nachfolgend eingetretenen
Schaden, wenn sich bei der Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein re- aktionspflichtiges Ergebnis gezeigt hätte und wenn es grob fehlerhaft gewesen wäre, dieses Ergebnis zu
verkennen oder zu ignorieren (Anschluss BGH, 8. Juli 2003, VI ZR 304/02, VersR 2003, 1256).(Rn.22)
3. Es liegt ein grober Behandlungsfehler vor, wenn ein Patient trotz eindeutiger Hinweise auf ein neurologisches Defizit (hier: Lähmungs- und Taubheitserscheinungen) erst ca. 7 Stunden nach der
ärztlichen Untersuchung zur weiteren Diagnostik und Behandlung in eine geeignete Klinik verlegt wird.(Rn.25)
Fundstellen: MedR 2013, 439-443 (Leitsatz und Gründe), ArztR 2013, 77 (Kurzwiedergabe)
Verfahrensgang: vorgehend LG Koblenz, 13. Januar 2010, Az: 10 O 481/06
nachgehend BGH, 11. September 2012, Az: VI ZR 373/11, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 139/10
Behandelt wurden Fragen des groben ärztlichen Behandlungsfehlers, § 823 BGB; § 286
ZPO. Ein Behandlungsfehler ist als grob zu bewerten, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche
Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings
nicht unterlaufen darf.
OLG München, Urteil vom 09.06.2011 - 1 U 5076/10 - Umfang und Intensität ärztliche Aufklärungspflicht bei medizinisch nicht indizierten Eingriffen
Grundsätzlich gilt, dass je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch indiziert ist, desto intensiver und eindringlicher muss über mögliche unerwünschte Folgen des Eingriffs aufgeklärt werden. Hierbei müssen dem Patienten vor allem auch mögliche Verschlechterungen bzw. gesundheitliche Beeinträchtigungen deutlich vor Augen geführt werden.
Dieser umfassenden, eindringlichen und ggf. schonungslosen Aufklärung (vgl. (OLG Bremen, VersR 2004, 911; OLG Hamm, VersR 2006, 1511, 1512) wurde im entschiedenen Fall seitens des beklagten
Arztes Genüge getan. Er verwendete einen umfassenden und aktuellen Aufklärungsbogen "Operative Lidstraffung/Brauenkorrektur“, der u.a. den handschriftlichen Zusatz enthielt: Symmetrie kann nicht
versprochen werden, evt. länger dauernder Reizzustand der Bindehäute, Absterben von Haut vor allem bei erneutem Rauchen möglich...
Weiter wurde handschriftlich zu dem Umfang der operativen Korrektur an den beiden Unterlidern angefügt: mit subperiostaler („auf dem Knochen“) Anhebung des Wangenfetts u. Fettentfernung rechts.
Das Gericht sah es - insbesondere mit Blick auf die handschriftlichen Ergänzungen auf dem Aufklärungsbogen - für erwiesen an, dass der klagende Patient - bei dem sich die eingriffstypische Risiken verwirklicht hatten - ausreichend und umfassend sowohl schriftlich als auch mündlich aufgeklärt wurde.
OLG München, Urteil vom 13.1.2011 – 1 U 4927/09
Es handelt sich um einen Befunderhebungsfehler, dessen Schadensursächlichkeit jedoch nicht nachweisbar ist, wenn sich der Arzt nach mehreren Tagen nicht beim Pflegepersonal über den Gesundheitszustand eines Suizidpatienten erkundigt.
Im vorliegenden Fall wurde ein Patient nach einem Suizidversuch in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Auf dem Weg zum Chirurgen, um Fäden ziehen zu lassen, riss sich der Patient von dem Pfleger, der ihn begleitete, los und sprang 4-5m in ein Treppenhaus hinab. Daraufhin erlitt er schwere Verletzungen bis hin zur halbseitigen Lähmung. Das Gericht erkannte dem Kläger jedoch kein Schmerzensgeld zu, weil zwar ein Befunderhebungsfehler bestand, dessen Schadensursächlichkeit aber nicht nachweisbar war.
MedR 2011, 241