Entscheidungsdetails 2012

LG Heidelberg, Urt. v. 21.12.2012 – 3 S 16/12 - Krankenhausrecht – krankenhausinterne Auswahl des Wahlarztes in der Vereinbarung unzulässig


Eine formularmäßige Wahlleistungsvereinbarung, nach der dem Krankenhaus als Verwender die Möglichkeit offen steht, dem Patienten den "Wahlarzt" unter mehreren (hier: insgesamt sechs) aufgeführten Ärzten frei zuzuweisen, ist wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Unwirksam wegen Gefährdung des wesentlichen Zwecks der Wahlleistungsvereinbarung (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ist weiterhin eine Formularklausel, nach welcher der Wahlarzt frei ist, jeden beliebigen Arzt innerhalb oder außerhalb des Krankenhauses an seiner Stelle die Leistung erbringen zu lassen.


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LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 04.12.2012 – L 11 KR 1806/12 - Sozialrecht – Ermessen der Krankenkassen
 
Die Erteilung bzw. Versagung der Zustimmung zur Durchführung einer Krankenhausbehandlung in der Schweiz nach § 13 Abs 5 Satz 2 SGB V („Kostenerstattung“) steht im Ermessen der Krankenkasse. Bei ihrer Ermessensentscheidung darf und muss die Krankenkasse berücksichtigen, dass den inländischen Leistungserbringern ein Vorrang zukommt.


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OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2012 - I-26 U 142/09 - Arzthaftungsrecht – Das Ausmaß der Befunderhebung bei Kopfschmerzen

 

Der 34 jährige Kläger wurde mit plötzlich aufgetretenem, heftigem Kopfschmerz mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Die dort diensthabende Assistenzärztin stellte die Diagnose "Spannungskopfschmerz", verabreichte ein Schmerzmittel und entließ den Kläger nach Rücksprache mit einem erfahrenen Kollegen wieder. Tatsächlich lag bereits zu diesem Zeitpunkt eine Subarachnoidalblutung (SAB) vor. Diese ist ein krankhaftes Geschehen im Bereich des zentralen Nervensystems. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass freies Blut in den mit Hirnflüssigkeit gefüllten SA-Raum gelangt. Ursache für diese spezielle Form des Schlaganfalles ist in den meisten Fällen das Platzen eines arteriellen Gefäßes aufgrund einer Missbildung. Die SAB geht mit plötzlichem schwerstem Kopfschmerz und Nackensteife einher. Sie kann zu kurzzeitigen Bewusstseinsstörungen, aber auch zu schweren dauerhaften Gehirnfunktionsstörungen führen.

Aufgrund des Fortschreitens der Blutung und einer weiteren Rezidivblutung 13 Tage später wurde der Kläger zu einem schweren Pflegefall. Er begehrt von dem beklagten Krankenhaus Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen Befunderhebungsversäumnissen.

Ein Krankenhaus haftet für eine nicht erkannte, durch Aneurysmen im Gehirn entstandene SAB, welche Symptome in Form einer Warnblutung (sog. „warning leak“ – „Warnleck“) aufweist, wenn der Patient aufgrund 13 Tage später erneut aufgetretener SA-Blutungen schwere Gesundheitsschäden erleidet. Das hat das OLG Hamm am 09.11.2012 entschieden und damit die erstinstanzliche Verurteilung des Krankenhauses durch das Landgericht Paderborn dem Grunde nach bestätigt.

Als entscheidendes Symptom einer SAB ist eine plötzliche Steigerung und Heftigkeit eines Kopfschmerzes anzusehen. Dabei wird der Bereich des im Aufnahmebefund dokumentierten Spannungskopfschmerzes verlassen, der durch einen sich wiederholenden, leichten bis mittleren Schmerz, mit drückender Schmerzqualität und ohne Verstärkung durch Routineaktivitäten wie Gehen oder Bücken gekennzeichnet ist. Das OLG Hamm stellte fest, dass bei dem Kläger ein solch plötzlicher und heftiger Kopfschmerz aufgetreten ist, dass dieser über die Qualität eines Spannungskopfschmerzes hinausging. Wäre somit die gebotene genaue Befragung des Patienten ergeben durchgeführt worden, hätte Veranlassung zu weiterer internistischer Befunderhebung in Richtung SAB bestanden; zumindest hätte eine solche ausgeschlossen werden müssen. Gezielte Befragungen zu den Einzelheiten des Kopfschmerzes seien aber vorwerfbar nicht gestellt worden: ein einfacher Befunderhebungsfehler damit gegeben. Der Kläger war indessen aus dem Krankenhaus noch am 13.07.2005, also am gleichen Tag, mit der Diagnose „Spannungskopfschmerz“ mit einem Schmerzmittel entlassen worden.

Gegen die Annahme eines groben Befunderhebungsfehlers habe im vorliegenden Fall die Schwierigkeit der zu bewertenden Situation gesprochen. Der Kläger kann sich für die Schadenskausalität dennoch auf Beweiserleichterungen berufen, da eine Beweiserleichterung nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht nur bei groben Behandlungsfehlern, sondern auch bei einem einfachen Befunderhebungsfehler in Betracht kommt, wenn die unterlassene Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte und sich die Verkennung des Befundes oder das Verhalten des Arztes auf der Basis dieses Ergebnisses als grob fehlerhaft darstellen würde.

Ab dem 26.07.2005 erlitt der Kläger weitere SA-Blutungen, die ihn bedauerlicherweise zu einem schweren Pflegefall gemacht haben. Er kann nicht mehr gehen, nur noch auf niedrigem Niveau kommunizieren und lediglich breiige Kost schlucken. Wegen des behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers - der am 13.07.2005 nicht erkannten SAB in Form einer Warnblutung - hat der Kläger von dem beklagten Krankenhaus 200.000 € Schmerzensgeld, den Ersatz von über 45.000 € materieller Schäden und die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden verlangt.

Das OLG Hamm hat die Schadensersatzpflicht des beklagten Krankenhauses dem Grunde nach bestätigt. Die initiale ärztliche Behandlung bei dem Erstbesuch des Krankenhauses sei fehlerhaft gewesen, weil eine notwendige Befunderhebung in Richtung auf eine SAB in Form einer Warnblutung unterblieben sei. Im Falle einer ausreichenden Befundung wäre die Blutung entdeckt worden und hätte zu dieser Zeit mit großen Heilungschancen behandelt werden können. Die später aufgetretene große Blutung wäre vermieden worden. Von diesem Umstand sei aufgrund einer dem Kläger zugute kommenden Beweislastumkehr auszugehen. Da die Umstände, nach denen sich die Höhe des Schmerzensgeldes und der Umfang des materiellen Schadens bemessen, noch aufzuklären seien, sei die Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz zu verurteilen.


http://www.iww.de/quellenmaterial/id/91381

OLG Köln vom 22.09.2012, Az: 5 U 211/08 „Aufklärung bei Ablehnung der Behandlung“

 

Die Mutter stellt sich mit ihrem seit drei Tagen an Brechdurchfall leidenden Säugling bei einem niedergelassen Arzt vor. Sie lehnt jedoch die angeratene Krankenhauseinweisung ab. Die in der Folge zu spät behandelte hypertone Dehydration führt zu einer dauerhaften schweren Schädigung des Kindes. Der Arzt hatte darauf hingewiesen, dass bei Nichteinweisung in ein Krankenhaus „eine Verschiebung der Salze eintreten könne, die mit dem Leben nicht vereinbar sei“. Das Gericht hielt diese Formulierung für unzureichend. Die Mutter, so die Ansicht der Richter, hätte konkret auf das Risiko schwerwiegender, andauernder Gesundheitsschäden bis hin zur Gefahr des Todes hingewiesen werden müssen.

OLG Koblenz, Urteil vom 22.08.2012 - 5 U 496/12

 

Ein Arzt muss seinen Patienten vor einer Operation umfassend und sachgemäß über ein seltenes, den Patienten aber erheblich beeinträchtigendes Risiko des Eingriffs aufklären. Besteht etwa bei einer zahnärztlichen Versorgung mit Implantaten die seltene, aber gravierende Gefahr einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung, ist der Patient über Inhalt und Tragweite dieser möglichen Folge hinreichend zu informieren. Der bloße Hinweis “Nervschädigung” in einem schriftlichen Aufklärungsformular ist dabei ohne weitere Erläuterungen im Aufklärungsgespräch unzureichend. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz hervor.
Im zugrunde liegenden Streitfall setzte der beklagte Zahnarzt der Klägerin im Jahre 2008 zwei Implantate ein. Infolge des Eingriffs leidet die Klägerin unter einer dauerhaften Nervschädigung. Sensibilitätsstörungen und Schmerzen insbesondere beim Kauen beeinträchtigen sie täglich. Die Klägerin hat dem beklagten Arzt u.a. vorgeworfen, sie über die Behandlungsrisiken und Behandlungsalternativen nicht hinreichend aufgeklärt zu haben. Das Landgericht hatte der Klägerin u.a. ein Schmerzensgeld von 7.000 Euro zugesprochen.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil vom 28.08.2012 – 54270/10 - Europarecht – Präimplantatationsdiagnostik und In-vitro-Fertilisation


Der Beschwerdesache Costa und Pavan gg. Italien lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Die beiden Bf. – Rosetta Costa und Walter Pavan – sind italienische Staatsangehörige. Nach der Geburt ihrer 2006 geborenen, an Mukoviszidose (genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung) leidenden Tochter erfuhren sie, dass sie (gesunde) Träger dieser Krankheit seien. Im Februar 2010 wurde die ErstBf. erneut schwanger. Es stellte sich heraus, dass der Fötus ebenfalls an Mukoviszidose erkrankt war. Die ErstBf. ließ daraufhin einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Die Bf. wollten in der Folge eine In-vitro- Fertilisation (IVF) in Anspruch nehmen und dann vor der Einsetzung des Embryos in die Gebärmutter eine Präimplantationsdiagnostik (PID) (zellbiologische und molekulargenetische Untersuchungen) durchführen lassen. § 4 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 40 vom 19.2.2004 über die medizinisch unterstützte Befruchtung zufolge ist die IVF jedoch nur sterilen oder unfruchtbaren Paaren vorbehalten, während die PID generell untersagt ist. Mit Erlass vom 11.4.2008 gewährte der italienische Gesundheitsminister Paaren den Zugang zur IVF für den Fall, dass der Mann mit einer sexuell übertragbaren Krankheit – wie beispielsweise dem HI-Virus oder Hepatitis B oder C – angesteckt ist. Am 13.1.2010 gewährte das Zivilgericht Salerno einem nicht-sterilem Paar, das gesunder Träger von Muskelatrophie ist, im Wege einer einstweiligen Verfügung den Zugang zur PID. Es ist bis dato die einzige Entscheidung auf diesem Gebiet.

Die Bf. rügen eine Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) alleine und in Verbindung mit Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot).
Die Regierung zweifelt die Opfereigenschaft der Bf. an. Im Gegensatz zu den Antragstellern in der Rechtssache vor dem Zivilgericht Salerno hätten sich diese nämlich nicht an die nationalen Gerichte gewandt, um in den Vorteil einer PID zu gelangen. Der gegenständliche Beschluss des Zivilgerichts Salerno wurde in erster Instanz gefällt und von keinem übergeordneten Gericht bestätigt. Es handelt sich also um einen Einzelfall. Abgesehen davon kann den Bf. nicht vorgeworfen werden, von einem Begehren Abstand genommen zu haben, das – wie auch die Regierung einräumt – vom Gesetz ausnahmslos verboten wird.

Da die Bf. letztlich von dem Verbot, eine PID in Anspruch zu nehmen, direkt betroffen sind, war der Einwand der Regierung einstimmig zurückzuweisen.

Hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art. 8 EMRK beanstanden die Bf., dass der einzige Weg, wie sie zu einem Kind ohne Erkrankung an Mukoviszidose kommen könnten, darin bestehen würde, auf natürlichem Wege schwanger zu werden und jedes Mal einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, sollte sich im Wege einer pränatalen Diagnose zeigen, dass der Fötus von dieser Krankheit befallen ist. Dieser Beschwerdepunkt ist weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen Grund unzulässig und musste daher einstimmig für zulässig erklärt werden.

In der Sache ist der Wunsch der Bf., ein Kind zu empfangen, das nicht an Mukoviszidose leidet, ist eine Äußerung des Privat- und Familienlebens, die unter den Schutz von Art. 8 EMRK fällt. Diese Bestimmung war somit anwendbar. Die fehlende Möglichkeit, sich der medizinisch unterstützten Fortpflanzung zu bedienen bzw. das Verbot der Inanspruchnahme von PID stellt zweifellos einen Eingriff in das Recht der Bf. auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar. Dieser war gesetzlich vorgesehen und verfolgte die legitimen Ziele des Schutzes der Moral und der Rechte und Freiheiten anderer. Das Gericht sprach den Bf. eine Entschädigung nach Art. 41 EMRK von € 15.000,- für immateriellen Schaden und € 2.500,– für Kosten und Auslagen zu.


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OLG Koblenz, Beschluss vom 27.6. und 8.2012 - 5 U 1510/11 - Kausalität und Haftungsausschluss bei Selbstgefährdung

 

Verweigert der Patient eine mögliche und erfolgversprechende Korrektur eines zunächst  fehlerhaften ärztlichen Eingriffs durch einen anderen Arzt trotz umfangreicher Folgenaufklärung, so setzt er selbst die Ursache für den Schadenseintritt und die Haftung des erstversorgenden Arztes ist ausgeschlossen.

 

Ein Berufsfußballer erlitt während eines Spiels eine Bissverletzung durch einen Mitspieler. Bei einem heftigen Zweikampf hatten die Schneidezähne seines Gegenspielers eine Rissverletzung am rechten Knie des Klägers verursacht. Dies führte zu einer Kniegelenksinfektion. Der Mannschaftsarzt nähte die Verletzung und überwies den Spieler zur weiteren Untersuchung ins Krankenhaus. Der Arzt dort empfahl dem Verletzten dringend die Öffnung der Naht und die Durchführung einer antibiotischen Therapie. Das lehnte der Patient jedoch ab. Es kam zu einem irreparablen Knieschaden. Der Mann musste seinen Beruf als Fußballspieler aufgeben.

Er warf dem erstbehandelnden Arzt vor, ihn nicht fachgerecht behandelt zu haben und klagte auf Schmerzensgeld. Zwar sahen die Richter einen groben Behandlungsfehler des ersten Arztes. Eine menschliche Bissverletzung könne eine Wundinfizierung durch Bakterien auslösen, was ein Vernähen der Wunde verbiete. Allerdings müsse der Arzt nicht dafür haften, da der Patient der dringenden Empfehlung des Klinikarztes nicht gefolgt sei, die Wunde zu öffnen und antibiotisch zu therapieren. Man habe ihn im Krankenhaus nachdrücklich darauf hingewiesen, welche gesundheitlichen Folgen ihm drohten, sollte er diese ärztliche Empfehlung nicht annehmen. Dennoch habe er sich bewusst gegen diese Behandlung entschieden. Damit habe er selbst eine so gravierende Ursache für seine bleibende Knieverletzung gegeben, dass eine Haftung des erstversorgenden Arztes ausgeschlossen sei.

OLG Koblenz, Urteil vom 20.06.2012 - 5 U 1450/11

 

Ein Arzt ist verpflichtet, sich auf seinem Fachgebiet regelmäßig weiterzubilden. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, die in einer führenden Fachzeitschrift veröffentlicht werden, muss er zeitnah im Berufsalltag umsetzten. Versäumt er diese Pflicht, kann dies zu einem groben Behandlungsfehler führen und einen Schmerzensgeldanspruch des Patienten auslösen. Dies entschied das OLG Koblenz.
Die damals 46-jährige Klägerin musste sich im März 2005 in einem Mainzer Krankenhaus einem gynäkologischen Eingriff unterziehen. Vor der Operation hatte sie darauf hingewiesen, dass sie die üblichen Narkosemittel nicht vertrage. Nach der Narkose litt die Klägerin drei Tage an heftiger Übelkeit mit Erbrechen. Wegen dieser und anderer Operationsfolgen klagte sie gegen das Krankenhaus und den operierenden Arzt auf Schmerzensgeld.
Obwohl das Landgericht Mainz die Klage abwies, hatte die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil nun gegenüber dem Krankenhaus in einem Punkt Erfolg. Das OLG Koblenz konnte zwar keinen Aufklärungs- oder Behandlungsfehler feststellen, dennoch stellt es richtigerweise fest, dass die Anästhesie nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wurde. Schließlich war dem Krankenhaus bekannt gewesen, dass die Klägerin die üblichen Narkosemittel nicht verträgt.
Das Krankenhaus hätte wegen der bekannten Überempfindlichkeit gegen die üblichen Narkosemittel der Klägerin ein weiteres, die Übelkeit minderndes oder gar völlig unterdrückendes Medikament verabreichen müssen. Eine solche Behandlungsalternative wurde auch schon in einer Fachzeitschrift im Jahre 2004 veröffentlicht. Das OLG Koblenz kommt daher zu recht zu dem Schluss, dass die Versäumnis sich eine wissenschaftliche Erkenntnis zeitnah anzueignen, einen groben Behandlungsfehler darstellt. Daher wurde das Krankenhaus zur Zahlung des Schmerzensgeldes verurteilt.
Die Klage gegen den operierenden Arzt wurde auch vom OLG Koblenz abgewiesen.

OLG Jena, Urteil vom 29.05.2012 - 4 U 549/11


Das OLG Jena hat in seinem Urteil vom 29.05.2012 das Nachbesserungsrecht eines Zahnarztes abgelehnt, weil der Patient anschließend Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund des Behandlungsfehlers verlangt hat.
Im Juli und im Dezember 2006 lies sich die privat krankenversicherte Klägerin vom Beklagten ein Inlay und eine Krone einsetzen. Kurze Zeit später traten an beiden Zähnen starke Schmerzen auf. Die Klägerin brach die Behandlung daraufhin ab und suchte einen anderen Zahnarzt auf. Der neu behandelnde Zahnarzt stellt fest, dass an beiden zuvor behandelten Zähnen Sekundärkaries war, der vom Beklagten nicht gesehen wurde. Die Zähne wurden dann noch einmal behandelt. Dies kostete 4.840,00 EUR, was die Klägerin nun vom Beklagten zurück haben möchte.
Das OLG Jena stellt zutreffend fest, dass der Patient den Arzt nicht zur Nacherfüllung auffordern muss, wenn er anschließend Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem behandelnden Arzt wegen dessen Behandlungsfehler verlangt. Es kann schließlich keinem Patienten zugemutet werden, sich noch einmal von denselben Arzt behandeln zu lassen, der einem zuvor falsch behandelt hat.
Außerdem stellt die Beendigung des Behandlung durch den Patienten aufgrund des verlorenen Vertrauens eine Kündigung des Behandlungsvertrages dar, der unter besonderer Berücksichtigung der Umstände ein Nacherfüllungsverlangen entbehrlich macht.
Beachte: Hier müssen die Kosten, die bereits durch die private Krankenversicherung beglichen wurden sind, abgezogen werden.

OLG Köln, Urteil vom 27.05.2012  - 5 U 38/10

 

Das OLG Köln hat einer 43-jährigen Frau ein Schmerzensgeld von 6.000 Euro zuerkannt, nachdem ihr in einer städtischen Klinik versehentlich mit einem Putzmittel eine Wunde ausgewaschen wurde.
Am 1. Juni 2006 lies sich die Klägerin von der Beklagten an ihrer Brust operieren. Dabei wurde die Operationswunde versehentlich mit dem Putzmittel Terralin Liquid, einem Flächendesinfektionsmittel, ausgespült. Die Ärztin hatte die Flasche, in welcher das Desinfektionsmittel abgefüllt war, mit dem Wundspülungsmittel verwechselt, da beides vom Hersteller in gleichartige Flaschen abgefüllt wird. Die Frau erlitt hierdurch Verätzungen und litt mehrere Stunden unter heftigen, brennenden Schmerzen.
Die Klägerin erhob Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 30.000 Euro sowie auf Feststellung, dass die Beklagte für weitere aufgrund des Ereignisses vom 1. Juni 2006 eintretende Schäden haften müsse.
Das OLG Köln sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld von 6.000,00 EUR zu, während das LG Köln ein Schmerzensgeld für 4.000,00 EUR zugesprochen hat, d.h. also mehr.
Grund für die Erhöhung des Schmerzensgeldes war vor allem die Tatsache, dass die Wunde mit Putzmittel ausgespült wurde. Aber noch schlimmer, so das Gericht, war die Tatsache, dass die Beklagte bzw. ihre Haftpflichtversicherung vor dem Prozess der Klägerin ein Schmerzensgeld von nur 500,00 EUR gezahlt hat, was ersichtlich zu wenig war. Das Gericht qualifizierte das Verhalten der Beklagten und ihrer Haftpflicht-versicherung als für die Klägerin zusätzlich beeinträchtigend, so dass ein Schmerzensgeld von 6.000,00 EUR angemessen ist.

BGH, Urteil vom 22.05.2012 - VI ZR 157/11


Behandelt wurden Fragen zur Einstandspflicht des Arztes für die Folgen seines Behandlungsfehlers und des Ersatzes der dem Patienten infolge der Nachoperation entstandenen materiellen und immateriellen Schäden verlangen, § 280 Abs. 1, §§ 278, 823 Abs. 1, §§ 831, 253 Abs. 2 BGB.
1. Die haftungsbegründende Kausalität betrifft den Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und der Rechtsgutsverletzung, d. h. dem ersten Verletzungserfolg im Sinne einer Belastung der gesundheitlichen Befindlichkeit des Patienten (Primärschaden). Hingegen bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und weiteren Gesundheitsschäden des Patienten.
2. Steht fest, dass ein Arzt dem Patienten durch fehlerhaftes und rechtswidriges Handeln einen Schaden zugefügt hat, so muss der Arzt beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei rechtmäßigem und fehlerfreiem ärztlichem Handeln erlitten hätte.
3. Die Verpflichtung zu einer den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Versorgung dient unter anderem dem Zweck, den Patienten vor einem an sich nicht erforderlichen Zweiteingriff und den damit einhergehenden Folgen zu bewahren. Wenn der dem Arzt vorzuwerfende Behandlungsfehler den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend geprägt hat und die eingetretenen Folgeschäden auf einem zusätzlichen Eingriff beruhen, der dem Patienten bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre, hat der Arzt die infolge der Nachoperation entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.

Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht, Urteil vom 11.04.2012 - Az L 2 VI 35/09 ZVW

Das LSG Schleswig hat entschieden, dass kein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz besteht. Die im Jahr 2002 geborene Klägerin war in ihrem ersten Lebensjahr wiederholt mit einem zugelassenen 6-fach-Kombinationsimpfstoff geimpft worden. Diese Impfungen entsprachen der in Schleswig-Holstein geltenden öffentlichen Empfehlung. Darüber hinaus war die Klägerin im Rahmen einer Impfstudie auch mit einem Versuchspräparat gegen Meningokokken, die eine Hirnhautentzündung auslösen können, geimpft worden. Einige Wochen nach der letzten Impfung wurde bei ihr erstmals eine Entwicklungsverzögerung festgestellt. Heute ist die Klägerin körperlich und geistig schwer behindert und pflegebedürftig.
Der von ihren Eltern für sie geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz setzt u.a. voraus, dass die gesundheitliche Schädigung ursächlich auf die Impfung zurückgeführt werden kann. Der Schwierigkeit, einen solchen Zusammenhang zu beweisen, wird u.a. dadurch Rechnung getragen, dass bereits die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs genügt. Um die Frage zu klären, ob wenigstens diese Wahrscheinlichkeit gegeben ist, hat das Landessozialgericht umfangreich ermittelt, Unterlagen der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser beigezogen und ein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die Beurteilung war besonders schwierig, weil es keine eindeutige Diagnose der schweren Erkrankung der Klägerin gab. Der vom Gericht beauftragte unabhängige Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die schwere Behinderung der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf die Impfungen zurückzuführen ist und dass deutlich mehr für eine genetische Ursache spricht. Ein weiterer Gutachter, den die Klägerin bzw. ihre Eltern auswählen konnten, hat diese Auffassung bestätigt.

LG Fulda, Urteil vom 29.03.2012 – 16 Js 6742/10 – 1KLs 

 

Ein Facharzt der Orthopädie, wurde (vermutlich als erster Berufsträger jemals) wegen Verstoßes gegen § 14 S. 2 MPG aufgrund erheblicher Hygienemängel im OP zu einer  nicht zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe ist im Vollzug anzutreten mit entsprechenden Konsequenzen für Approbation und seinen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag.

 

Gem. § 14 S. 2 MPG dürfen Medizinprodukte nicht betrieben und angewendet werden, wenn sie Mängel aufweisen, durch die u.a. Patienten gefährdet werden können. Aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung des § 14 S. 2 MPG als abstraktes Gefährdungsdelikt, genügt für eine Strafbarkeit die bloße Gefährdung, realisieren muss sich die Gefahr tatsächlich nicht. § 40 Abs. 1 Nr. 4 MPG sieht für einen einfachen Verstoß eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor; im besonders schweren Fall Freiheitsstrafe von mindestens 1 bis zu 5 Jahren.

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