OLG Köln, Urteil vom 5.11.2018 – 5 U 33/18
Ein Rechtsanwalt hat seine Mandanten grundsätzlich auf die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung durch einen Prozessfinanzierer hinzuweisen.
In dem Beschluss wird zunächst ausgeführt, dass zu dieser Frage bisher keine gerichtliche Entscheidung ergangen sei. In der Literatur werde jedoch einhellig vertreten, dass ein Rechtsanwalt auf
die Möglichkeit der Prozessfinanzierung hinweisen müsse, § 43 BRAO. Dieser Auffassung hat sich das OLG Köln angeschlossen. Der Anwalt habe gleichwohl nicht zu prüfen und darüber zu informieren,
welcher konkrete Prozessfinanzierer für den Mandanten der günstigste sei.
Anwälte beraten ihre Mandanten ohnedies oftmals über die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung und dies zwanglos – unabhängig von der formellen Hinweispflicht, da eine Prozessfinanzierung durchaus wirtschaftliche Vorteile bieten kann. Der Mandant kann ohne Kostenrisiko und Liquiditätsbelastung klagen; bilanzielle Rückstellungen für schwer zu prognostizierende Prozesskosten entfallen zudem. Der Rechtsanwalt erhält die Vergütung sicher und zügig von dem Prozessfinanzierer. Hinzu kommen oft noch verhandlungstaktische Vorteile, da der Gegner weiß, dass die Finanzierung des Prozesses durch einen solventen Dritten sichergestellt (und eine juristische Vorprüfung der Erfolgsaussichten erfolgt) ist.
Quelle: OLG Köln
OLG Oldenburg, Urteil vom 24.10.2018 – 5 U 102/18 und
Zum Verbleib von OP-Material im Körper des Patienten; eine unterlassene Zählkontrolle stellt einen Behandlungsfehler dar
Aktuell wurde die Bewertung solcher Fallkonstellationen erneut unterstrichen durch ein Urteil des OLG Oldenburg, bei dem entschieden wurde, dass schon bei einem Verdacht des Operateurs, dass ein
Operationswerkzeug im Körper des Patienten verblieben ist, diesem Verdacht umgehend nachzugehen sei.
Das Unterlassen einer weitergehenden Diagnostik in Kenntnis dessen, dass sie vonnöten ist, stelle selber gleichermaßen einen groben Behandlungsfehler dar. Im Milieu eines arthroskopischen Knieeingriffs löste sich die Metallspitze des verwendeten Trokars und verblieb unerkannt im Kniegelenk. Gegen Ende des OP-Tages fiel dem Operateur das Fehlen der Spitze auf, die in den Behandlungsräumen hingegen nicht aufgefunden werden konnte. Der Arzt machte sich eine Notiz, nahm trotz alledem keinen Kontakt zu den operierten Patienten auf und veranlasste gleichermaßen beim Kläger, der sich zum Verbandswechsel und zum Fädenziehen jeweils in der Praxis einfand, keine weitergehende Studie. Er informierte den Kläger (entfernt) nicht über den gebührenden Verdacht. Erst nachdem sich der Kläger aufgrund extremer Schmerzen im Knie aufs Neue vorstellte, veranlasste der Arzt eine Röntgenuntersuchung; erst im Zuge einer Revisionsoperation konnte der Fremdkörper daraufhin entfernt werden.
OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2018 – 1 U 145/17
Zum Verbleib von OP-Material im Körper des Patienten; eine unterlassene Zählkontrolle stellt einen Behandlungsfehler dar
Weiter ausgeführt wurde diese Tendenz der Rspr. durch ein aktuelles Urteil des OLG Stuttgart. Nach dessen Auffassung ist das Zurücklassen einer Nadel (1,9 cm lang) im Bauchraum der Patientin ein
schuldhafter Behandlungsfehler, der der Klinik zur Last fällt. Bereits nach der BGH-Rechtsprechung, der zu folgen ist, müssten Ärzte alle möglichen und zumutbaren Sicherungsvorkehrungen gegen das
unbeabsichtigte Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet treffen und sämtliche Instrumente nach einer OP auf ihre Vollständigkeit überprüfen. Zur Zählkontrolle und Vermeidung
unbeabsichtigt im Operationsgebiet zurückgelassener Fremdkörper habe das Aktionsbündnis Patientensicherheit bereits 2010 Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Da diese Handlungsempfehlungen auf
Grundlage eines Beschlusses des deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurden, hält es das OLG Stuttgart zudem für befremdlich, dass die beklagte
Bundesrepublik Deutschland meint, sie selbst sei vier Jahre nach Veröffentlichung dieser Empfehlungen nicht zu Zählkontrollen bei Operationen verpflichtet. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass
das unbemerkte Zurücklassen der Nadel bei der Klägerin zu einem Schaden dergestalt geführt habe, dass sie nicht nur durch die regelmäßigen Lagekontrollen der Nadel, sondern auch durch das Wissen
um die Nadel im Körper und die Ungewissheit über die Erforderlichkeit einer Operation zu deren Entfernung belastet sei.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.10.18 - 22 U 97/16
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) berechnet als erstes deutsches Oberlandesgericht Schmerzensgeld anhand einer neuen, taggenauen Methode und berücksichtigt beim
Haushaltsführungsschaden den moderneren Zuschnitt der Haushalte und den gesetzlichen Mindestlohn.
Der beklagte PKW-Fahrer kollidierte mit dem klagenden Motorradfahrer, als er in Obertshausen auf der Schönbornstraße kurz vor der Kreuzung zur B 448 wenden wollte. Der Kläger wurde erheblich
verletzt und erlitt u.a. einen komplizierten Speichenbruch, eine HWS-Distorsion, eine Bauchwandprellung und dauerhafte Sensibilitätsstörungen der Hand. Er war über vier Monate krankgeschrieben
und in der Haushaltsführung eingeschränkt. Die Haftpflichtversicherung des PKW-Fahrers hat den Schaden am Motorrad sowie ein Schmerzensgeld von 5.000,00 € gezahlt.
Der Kläger nimmt den Beklagten unter anderem auf Zahlung weiteren Schmerzensgelds und Ausgleich des erlittenen Haushaltsführungsschadens in Anspruch. Nach Auffassung des Landgerichts musste der
Beklagte vollständig für die Unfallfolgen einstehen. Dabei hielt es ein Schmerzensgeld von 10.500,00 € für angemessen und sprach auch den geforderten Haushaltsführungsschaden zu. Mit der Berufung
begehrte der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Damit hatte er hinsichtlich der Positionen Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das OLG nahm
vielmehr erstmals unter den Obergerichten auf neuerer Methodik beruhende Berechnungen vor und verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 11.000,00 € sowie eines
Haushaltsführungsschadens von 1.500,00 €.
Das OLG betont, dass das Schmerzensgeld dem Ausgleich nicht vermögensrechtlicher Schäden diene. Bei der Bemessung des zu schätzenden Betrages stehe der konkrete Einzelfall im Mittelpunkt.
Tabellenmäßig erfasste Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte seien dabei weder Maßstab noch Begrenzung. Angemessener sei eine Methode, die die taggenaue Berechnung unter Berücksichtigung
der im Zeitablauf unterschiedlichen Behandlungsarten (Krankenhaus, Reha) und Schadensfolgen ermögliche. Diese neue Berechnungsweise könne durch die größere Bedeutung des Zeitmoments auf Dauer
dazu führen, „dass bei langfristigen Beeinträchtigungen deutlich höhere Schmerzensgelder ausgeworfen werden, während bei geringen Beeinträchtigungen die Schmerzensgelder deutlich vermindert
werden könnten, jeweils im Vergleich zu den heute ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträgen“, prognostiziert das OLG. Die neue Berechnungsweise basiere auf einem prozentual ausgedrückten Tagessatz
des vom statistischen Bundesamt ermittelten jährlichen durchschnittlichen Bruttonationaleinkommens je Einwohner, welcher mit einem weiteren prozentual ermittelten Faktor für den Grad der
Schädigungsfolgen multipliziert werde. Auf das persönliche Einkommen des Geschädigten komme es in diesem Zusammenhang nicht an, da Schmerz von allen Menschen gleich empfunden werde. Ähnliche
Berechnungsweisen seien in anderen europäischen Ländern zur Vereinheitlichung von Schmerzensgeldberechnungen lange anerkannt.
Der so genannte Haushaltsführungsschaden könne ebenfalls nicht zufriedenstellend über die bisher zur Verfügung stehenden Tabellen ermittelt werden. Er diene dem Ausgleich von Einbußen für die
Eigen- und ggf. Fremdversorgung anderer Haushaltsmitglieder. Die üblichen Tabellen beruhten auf traditionell begründeten Unterscheidungen hinsichtlich des Zuschnitts der jeweiligen
Haushaltsführung. „In modernen Haushalten finden weitaus mehr Maschinen Einsatz als früher, es wird insgesamt weniger Wert auf klassische Vorbereitung oder auch klassische Darbietung des Essens
gelegt“, stellt das OLG fest. Die neuen Tabellen, die auf aktuellen Erhebungen und Auswertungen des statistischen Bundesamts beruhen, differenzierten zwar auch hinsichtlich des
Haushaltszuschnitts, berücksichtigten dafür aber allein die praktikable Unterscheidung in Form des verfügbaren Nettoeinkommens. Auf dieser Basis könne eher ein durchschnittlicher wöchentlicher
Stundenaufwand für die Haushaltsführung ermittelt werden. Dieser Stundenaufwand sei mit einem Stundensatz für einfache Haushaltsarbeiten zu multiplizieren. Orientierung biete dabei zunächst der
gesetzliche Mindestlohn. In besonders gehobenen Haushalten könne dieser Betrag angemessen – wie hier – auf 10,00 € pro Stunde erhöht werden.
Weitere Fundstellen:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.10.2018, Az. 22 U 97/16
(vorausgehend Landgericht Darmstadt, Urteil vom 08.03.2016, Az. 13 O 129/15)
BSG, Urteil vom 11.9.2018 – B 1 KR 1/18 R
Versicherte dürfen fiktiv genehmigte Operation im Ausland durchführen lassen
Entscheidet eine Krankenkasse nicht zeitgerecht über einen Antrag auf Hautstraffungsoperation und lehnt sie ab, dem Versicherten die deswegen fiktiv genehmigte Leistung als Naturalleistung zur
Verfügung zu stellen, hat sie dem ihm die hierdurch entstandenen Kosten zu erstatten – auch wenn er sich eine entsprechende Leistung im Ausland selbst beschafft.
Ein Patient hatte beantragt, ihn nach massiver Gewichtsabnahme mit einer Hautstraffungsoperation an Brust und Bauch zu versorgen. Die beklagte Kasse entschied nicht zeitgerecht und verweigerte
die Leistung unter Missachtung der fingierten Genehmigung. Der Kläger ließ sich daraufhin für 4.200 € privat in einer Klinik in der Türkei operieren.
Diesbezüglich besteht ein Kostenerstattungsanspruch des Patienten. Er war weder verpflichtet, sich die genehmigte Leistung lediglich im Inland zu verschaffen noch bei einer Selbstverschaffung im
Ausland die Bedingungen einer Auslandsversorgung zu Lasten der GKV einzuhalten.
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.8.2018 - L 16 KR 362/18 B ER
Keine Genehmigungsfiktion bei kosmetischer Operation aufgrund eines Zweitantrages an das deutsche Honorarkonsulat im Ausland
Zugrunde lag das Eilverfahren einer 53-jähigen Frau, die mit der sog. Genehmigungsfiktion den Kostenersatz für eine Liposuktion von ihrer Krankenkasse begehrte. Die Frau litt seit vielen Jahren an vermehrten Fetteinlagerungen in Armen und Beinen; bei einer Größe von 1,68 m wog sie 87,5 kg. Nachdem die Krankenkasse innerhalb eines laufenden Widerspruchsverfahrens mitgeteilt hatte, dass eine Liposuktion keine zugelassene Behandlungsmethode sei und deshalb nicht bezahlt werde, stellte die Frau einen zweiten Antrag: Dieses Mal jedoch während einer Urlaubsreise auf der Insel Jersey/Großbritannien beim Deutschen Honorarkonsulat zur Weiterleitung an die Kasse. Weiterhin stellte die Klägerin bei Gericht einige Wochen später einen Eilantrag. Die Voraussetzungen für ein Eilverfahren sind hingegen schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile, die durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten. Diese seien durch vermehrt wahrgenommene Beschwerden in den Beinen nach einer Flugreise auf eine Urlaubsinsel allerdings vorliegend nicht erfüllt. Außerdem sei die Genehmigungsfiktion auch rechtlich nicht eingetreten. Zwar könne ein Antrag grundsätzlich auch über ein Konsulat eingereicht werden. Allerdings könnten die Fristen für die Genehmigungsfiktion nach ihrem Sinn und Zweck nicht schon ab Antragsabgabe gelten.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.8.2018 – 8 U 181/16.
Das OLG Frankfurt am Main (OLG) hat entschieden, dass Ärzte aufgrund einer fehlerhaften Schwangerschaftsbetreuung auch Zwischenfinanzierungskosten für einen behindertengerechten Neubau
übernehmen müssen.
Die Kläger sind die Eltern einer Tochter, die aufgrund einer Trisomie 18 mit schweren körperlichen Fehlbildungen zur Welt kam und im Alter von drei Jahren an ihrer Grunderkrankung verstarb. Sie konnte ihren Oberkörper und Kopf nicht eigenständig halten, nicht essen, krabbeln und laufen. Neben erheblichen Missbildungen litt sie unter massiven, insbesondere nachts auftretenden Unruhezuständen. Die beklagten Ärzte sind aufgrund ihrer fehlerhaften Schwangerschaftsbetreuung grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet (Grundurteil des Landgerichts Wiesbaden vom 25.7.2014).
Die Kläger wohnten zum Zeitpunkt der Geburt in einer Eigentumswohnung, die nicht behindertengerecht umgebaut werden konnte. Als ihre Tochter zwei Jahre alt war, entschlossen sie sich zum Bau eines Hauses mit einem im Erdgeschoss gelegenen behindertengerechten Zimmer nebst kleinem Badezimmer. Zu diesem Zeitpunkt erwarteten die Kläger ihr zweites Kind. Der Bau wurde bis zum Verkauf der Wohnung über ein Darlehen finanziert. Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Übernahme der ihnen entstandenen Zwischenfinanzierungskosten in mittlerer fünfstelliger Größenordnung.
Der Klage wurde stattgegeben. Die Zwischenfinanzierungskosten seien als Folge der fehlerhaften Schwangerschaftsbetreuung von den Beklagten zu übernehmen. Es sei überzeugend dargelegt, dass sich die Kläger „aufgrund der schwersten Behinderung ihrer Tochter ... – und nicht wegen einer weitere Kinder umfassenden Familienplanung – entschlossen haben, die Eigentumswohnung aufzugeben und ein Einfamilienhaus in unmittelbarer Nachbarschaft zu bauen“. Der Hausbau sei auch im Hinblick auf die krankheitsbedingten nächtlichen Unruhezustände erforderlich gewesen. Die Unruhezustände seien mit einer erheblichen Geräuschentwicklung einhergegangen sei. Deshalb seien die Kläger erheblichem psychischen Druck ausgesetzt gewesen. Dabei komme es nicht darauf an, ob den Nachbarn ein gerichtlich durchsetzbarer Unterlassungsanspruch zugestanden hätte. Die Kläger hätten jedenfalls verständlicherweise Störungen und Beeinträchtigungen der Nachbarn vermeiden wollen. Die Unruhezustände seien entgegen den Einwänden der Beklagten auch nicht mit dem nächtlichen Weinen und Schreien gesunder Kleinkinder vergleichbar gewesen. Die Beklagten könnten sich schließlich auch nicht darauf berufen, es sei „keinesfalls ungewöhnlich“, dass sich eine Familie, beim Entschluss zwei oder mehr Kinder zu bekommen, entscheide, ein Haus zu bauen. Vielmehr sei festgestellt worden, dass die Kläger die erste Schwangerschaft bei fehlerfreier Behandlung abgebrochen hätten. In diesem Fall hätten die Kläger nach der zweiten Schwangerschaft ihr erstes Kind bekommen. Die Eigentumswohnung der Kläger wäre für bis zu zwei gesunde Kinder auch „völlig hinreichend gewesen“.
(vorausgehend LG Wiesbaden, Urt v 5.8.2016 – 7 O 217/00)
BGH, Urteil vom 26.6.2018 - VI ZR 285/17
Leitsatz: Der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.
Ein Hausarzt muss dafür sorgen, dass sein Patient von bedrohlichen Befunden unter allen Umständen erfährt, auch wenn dieser schon länger nicht mehr bei ihm in der Praxis erschienen ist.
Der Patient verlangt von seiner langjährigen Hausärztin Schmerzensgeld und Schadenersatz. Sie hatte ihn wegen Schmerzen im linken Bein und Fuß an einen Facharzt überwiesen. Später wurde eine
Geschwulst in der Kniekehle entdeckt, die operativ entfernt wurde. Dass das Geschwulst ein bösartiger Tumor war, teilte die Klinik ausschließlich der Hausärztin mit. Sie sprach den Mann knapp
eineinhalb Jahre später darauf an, als dieser wegen einer Handverletzung das nächste Mal zu ihr kam. Dem Arztbrief, der nur an die Hausärztin ging, habe die Frau unschwer entnehmen können,
dass die Klinik sie irrtümlicherweise für die behandelnde Ärztin hielt. Gerade in ihrer koordinierenden Funktion als Hausärztin hätte sie die Information weitergeben müssen.
SG Augsburg, Urteil vom 19.03.2018 – S 10 KR 30/18
Kein Anspruch auf Haarentfernung mittels Laserepilation zu Lasten der GKV
Leitsatz:
Selbst bei Annahme eines Systemversagens bezüglich eines grundsätzlichen Anspruchs von Versicherten mit Transidentität auf dauerhafte Haarentfernung zulasten der GKV auch an anderen Körperbereichen als an Gesicht, Hals oder Händen kommt keinesfalls ein Anspruch auf dauerhafte Haarentfernung mittels der begehrten Laserepilation in Betracht. Denn auch insoweit ist der Grundsatz zu beachten, dass unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots Versicherten mit Transidentität zu Lasten der GKV kein Zugang zu kosmetischen Maßnahmen zu gewähren ist, der anderen Versicherten von vornherein verwehrt wird.
Entscheidung: gesetze-bayern.de
OLG München, Urteil vom 15.3.2018 – 1 U 4153/17
Krankenkasse darf die Patientenunterlagen verstorbener Versicherter einsehen
Eine Krankenkasse hat auch ohne Schweigepflichtentbindung durch die Erben einer verstorbenen Versicherten einen Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen zur Prüfung möglicher Behandlungsfehler gegenüber einem Krankenhaus oder Behandler. Der Patientenanspruch auf Einsicht der Behandlungsunterlagen steht nach dem Tod des Versicherten der Kasse zu, damit diese mögliche Ansprüche aus fehlerhafter Behandlung prüfen bzw. geltend machen kann. Es lag im Interesse der verstorbenen Versicherungsnehmerin, dass solche Ansprüche verfolgt werden können; sie hätte daher mutmaßlich ihre Einwilligung erteilt.
LG Münster, Urteil vom 1.3.2018 – 111 O 25/14
Rechtswidrig durchgeführte Operation von einem alkoholabhängigen Operateur durchgeführt – Haftung der Klinik und Höhe des Schmerzensgeldanspruchs
Nach einer rechtswidrigen Bandscheibenoperation durch einen mittlerweile verstorbenen Belegarzt im Krankenhaus wurde der Haftungsklage der Patientin vollumfänglich stattgegeben und ihr ein
Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 € zugesprochen. Aus der fehlerhaften Behandlung resultierende weitere materielle Schäden und nicht vorhersehbare immaterielle Zukunftsschäden sind ihr ebenfalls
zu ersetzen. Der Streitwert wurde auf knapp 500.000 € festgesetzt.
Bei der Operation war es zu einer Verletzung des Rückenmarks der Patientin gekommen, diese sitzt seither im Rollstuhl. Unter anderem besteht bei ihr infolge der OP eine Blasen- und
Mastdarminkontinenz. Ihr Körper ist zu einem Großteil taub. Ihre rechte Hand ist gelähmt. Sie ist nicht in der Lage, selbständig aus dem Bett zu kommen und sich zu waschen, unterliegt somit
minimal der Pflegestufe II. Der Operateur litt unstreitig an einer Alkoholabhängigkeit; unklar blieb, ob und in welchem Ausmaß, diese zum Zeitpunkt der OP bestand.
Das Gericht hielt den operativen Eingriff für rechtswidrig. Auch hafte hierfür gemäß §§ 611, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 823, 31 analog BGB die Krankenhausträgerin aufgrund eklatanten
Organisationsverschuldens, denn sie hat dem Operateur die Infrastruktur für neurochirurgische Eingriffe zur Verfügung gestellt, obwohl sie wusste, zumindest aber hätte wissen müssen, dass der
gesundheitliche Zustand des Belegarztes eine solche Tätigkeit nicht zuließ.