BGH Urt. v. 06.11.1990, Az.: VI ZR 8/90 „Aufklärung bei Schönheits-OP“
Leitsatz: An die Aufklärung des Patienten über die Aussichten und Risiken einer von diesem gewünschten kosmetischen Operation sind strenge Anforderungen zu stellen.
Tatbestand: Die damals 57jährige Klägerin wollte sich einer kosmetischen Operation zum Zwecke der Beseitigung von Falten unterhalb ihres Kinnes unterziehen und suchte deshalb die Beklagte auf, die damals Leiterin der Abteilung für plastische Chirurgie eines Krankenhauses in M. war. Am 30. Oktober 1978 wurde das Operationsvorgehen besprochen. Am 6. März 1979 begab sich die Klägerin in die Klinik, wo wiederum eine Besprechung mit der Beklagten stattfand. Am 7. März 1979 operierte die Beklagte die Klägerin. Diese hält das Operationsergebnis für unbefriedigend und nimmt deshalb die Beklagte auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden für Vergangenheit und Zukunft in Anspruch. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, die Operation fehlerhaft durchgeführt zu haben. So sei die beabsichtigte Straffung der Haut unter dem Kinn nicht gelungen; es seien am Kopf hinter den Ohren hässliche Narben entstanden, die sie daran hinderten, eine Hochfrisur zu tragen. Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, sie sei vor der Operation nicht hinreichend über deren Erfolgsaussichten und Risiken aufgeklärt worden, u.a. auch nicht darüber, dass es operationsbedingt zu länger andauernden Beschwerden im Hals- und Nackenbereich kommen könne, an denen sie tatsächlich leide. Die Beklagte behauptet demgegenüber, die Klägerin richtig beraten und behandelt und auch ausreichend über die Operation und deren Folgen aufgeklärt zu haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision vor dem BGH verfolgte sie ihre Klageansprüche letztlich erfolgreich weiter.
OLG Karlsruhe Urt. v. 02.08.1995, Az.: 13 U 44/94 „Dolmetscherurteil“
Das Gericht erachtete es als zulässig, wenn eine im Krankenhaus beschäftigte Reinigungskraft als Dolmetscherin hinzuzogen wurde, die in der Lage war, dem medizinisch nicht vorgebildeten Patienten die medizinische Situation vom Laienstandpunkt aus zu erklären.
OLG Hamm, Urt. v. 29.03.2006, Az: 3 U 263/05 „Aufklärung bei Schönheits-OP“
Zur Vergrößerung und gleichzeitigen Straffung der Brüste werden einer Patientin unter beide Brustmuskeln jeweils 300 Gramm schwere Implantate eingesetzt. In der Folge zeigen sich breite Narben und eine Asymmetrie der Brustwarzen, bei bestimmten Belastungen treten Schmerzen auf. Die erfolgte Aufklärung des behandelnden Arztes, es könne zu Schmerzen ähnlich einem Muskelfaserriss bei einer Sportverletzung kommen, sieht das Gericht als verharmlosend an. Eine schonungslose und drastische Aufklärung, auch über mögliche lebenslange Schmerzen, hätte erfolgen müssen.
BGH Urt. v. 10.10.2006, Az.: VI ZR 74/05 „Aufklärungspflicht ggü. Minderjährigen“
Leitsatz: Minderjährigen Patienten kann bei einem nur relativ indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für ihre künftige Lebensgestaltung ein Vetorecht gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter zustehen, wenn sie über eine ausreichende Urteilsfähigkeit verfügen. Auch über ein gegenüber dem Hauptrisiko des Eingriffs weniger schweres Risiko ist aufzuklären, wenn dieses dem Eingriff spezifisch anhaftet, es für den Laien überraschend ist und durch die Verwirklichung des Risikos die Lebensführung des Patienten schwer belastet würde.
Tatbestand: Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken einer Operation, aufgrund der sie neben anderen Folgen querschnittgelähmt ist. Der Beklagte war Oberarzt in der orthopädischen Abteilung der Klinik, in welcher die Operation durchgeführt wurde. Träger der Klinik ist der Streithelfer. Die am 16. August 1976 geborene Klägerin litt ab dem 13. Lebensjahr an einer Adoleszenzskoliose. Nachdem sich konservative Maßnahmen als nicht wirksam gegen die fortschreitende Verkrümmung erwiesen hatten, schlug der Beklagte im Jahr 1990 den Eltern der Klägerin vor, durch eine Operation die Missbildung zu korrigieren. Am 25. September 1990 wurde ein Aufklärungsgespräch über Vorgehensweise und Risiken bei der Operation durch Frau Dr. S. mit den Eltern der Klägerin in deren Beisein geführt. Die Operation musste verschoben werden, weil die Klägerin an starker Akne an den von der Operation betroffenen Hautstellen litt. Am 12. Januar 1991 führte Dr. Dr. T. ein weiteres Aufklärungsgespräch. Die Operation wurde wiederum aufgeschoben, weil eine Eigenblutspende versäumt worden war. Die Eltern der damals 14-jährigen Klägerin unterzeichneten nach dem jeweiligen Aufklärungsgespräch einen Vordruck mit einer Einwilligungserklärung. In den Vordruck ist handschriftlich eingefügt: "u. a. Infektion, Gefäß-, Nervenverletzung, Querschnitt; Eigenblut, Retransfusion, nur im Notfall Fremdblut". Von 1990 bis zur Operation war die Klägerin in ständiger Behandlung in der klinischen Ambulanz. Anlässlich der Behandlungstermine wurden auch Gespräche von den behandelnden Ärzten mit der Mutter der Klägerin über Risiken und Erfolgsaussichten der anstehenden Operation geführt. Die Risiken einer Falschgelenkbildung (Pseudarthrose) und des operativen Zugangs (Verwachsungen im Brustraum und Rippeninstabilitäten) wurden auch nicht bei dem Aufklärungsgespräch angesprochen, das der Beklagte am 18. Februar 1992, dem Vortag der Operation, führte. Dabei unterschrieb neben ihren Eltern auch die Klägerin die Einverständniserklärung. Der Vordruck ist durch folgende handschriftliche Eintragungen ergänzt: "Komplikationsmöglichkeiten: Neurologische Ausfälle, Infektionen, Blutungen, Thrombosen, Embolien". Bei der Operation am 19.nFebruar 1992 kam es zu einer Einblutung in den Rückenmarkskanal, die zur Querschnittlähmung der Klägerin führte. In der Folgezeit entwickelten sich neben anderen Beschwerden auch Verwachsungen im Brustraum, Falschgelenkbildungen und Rippeninstabilitäten. Die Klägerin macht, nachdem sie erfolglos versucht hat, den operierenden Arzt wegen eines Behandlungsfehlers in Anspruch zu nehmen, gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen unzureichender Aufklärung am 18. Februar 1992 geltend. Sie ist der Auffassung, die Aufklärung sei schon deshalb unwirksam, weil Aufklärungsadressaten ihre Eltern und nicht sie selbst gewesen seien, obwohl sie am 18. Februar 1992 bereits die sittliche Reife und das erforderliche Verständnis für die Risiken der Operation gehabt habe. Außerdem sei die Aufklärung am 18. Februar 1992 zu spät erfolgt und von ihrem Inhalt her unzureichend gewesen. Die beiden vorhergehenden Aufklärungsgespräche könnten wegen des zeitlichen Abstands nicht in die Beurteilung miteinbezogen werden. Der Beklagte habe Alternativen zum Eingriff und dessen Dringlichkeit nicht angesprochen. Auch sei das Risiko der Querschnittlähmung verharmlost worden. Über die Möglichkeit des Materialbruches und der Bildung von Verwachsungen im Brustraum, von Falschgelenken und Rippeninstabilitäten sei nicht aufgeklärt worden. Bei Kenntnis dieser Risiken wäre in die Operation nicht eingewilligt worden. Der Anspruch gegen den Beklagten sei nicht verjährt, da die Klägerin erst durch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P. im Juni 1997 erfahren habe, dass die Aufklärung unzureichend gewesen sei. Der Beklagte wendet dagegen ein, dass, selbst wenn eine unzureichende Aufklärung unterstellt würde, die Eltern der Klägerin jedenfalls auch bei Kenntnis aller Risiken in eine Operation eingewilligt hätten. Immerhin seien sie das ihnen genannte Risiko einer Querschnittlähmung eingegangen. Die Ansprüche seien außerdem verjährt. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Die Klägerin verfolgt mit der vom Senat zugelassenen Revision ihren Anspruch erfolgreich weiter.
BGH Urt. v. 15.Juni 2010, Az: VI ZR 204/09 „telefonische Aufklärung“
Leitsatz: Bei einfach gelagerten Fällen kann der Patient auch telefonisch in einen bevorstehenden Eingriff einwilligen
Tatbestand: Die Patientin musste sich im Alter von drei Wochen einer Leistenhernien-Operation unterziehen. Der Chirurg informierte die Mutter als gesetzliche Vertreterin in einem Aufklärungsgespräch über mögliche Risiken der bevorstehenden Operation. Der Vater der Klägerin war nicht mit in das Behandlungszimmer gegangen, sondern blieb im Wartezimmer und füllte die ausgehändigten Aufklärungsformulare aus. Die Formulare wurden später sowohl von der Mutter als auch vom Vater der Klägerin unterschrieben. Durch die Unterschrift willigten beide Elternteile in die Operation ein. Zwei Tage vor der Operation telefonierte der zuständige Anästhesist mit dem Vater und erläuterte diesem den bevorstehenden Eingriff. Am Morgen vor der Operation unterschrieben beide Elternteile das Einwilligungsformular nachdem der Anästhesist ihnen nochmals die Gelegenheit gab, Fragen zu stellen. Im Rahmen der Operation kam es zu Komplikationen, die dazu führten, dass die Fein- und Grobmotorik sowie die Koordinations- und Artikulationsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigt wurden. Die Klägerin macht geltend, dass sowohl die chirurgische als auch die anästhesiologische Aufklärung unzureichend gewesen sei, da nicht beide Elternteile gemeinsam an dem Aufklärungsgespräch teilgenommen hätten. Des Weiteren vertritt die Klägerin die Meinung, dass keine genügende anästhesiologische Aufklärung stattfand, da der behandelnde Arzt lediglich mit dem Vater der Klägerin telefoniert hatte. Die Klage ist in erster Instanz vom Landgericht abgewiesen worden. In zweiter Instanz wies das Oberlandesgericht die Berufung gegen die Klageabweisung der Klägerin zurück. Das Berufungsgericht lies die Revision zu. Der BGH hat in seinem Urteil vom 15. Juni 2010 (Az.: VI ZR 204/09) eine Verletzung der Aufklärungspflicht verneint. Jeder Arzt muss prinzipiell über diejenigen Eingriffs- und Behandlungsmaßnahmen aufklären, die er selbst durchführt, und nur soweit sein Fachgebiet betroffen ist. Zudem lag auch eine Einwilligung beider Elternteile vor, da nach ständiger Rechtsprechung der anwesende für den abwesenden Elternteil miteinwilligen darf. Betreffend der chirurgischen Aufklärung teilt der BGH die Auffassung des Chirurgen, dass eine Besprechung der Vorgehensweise und Risiken der Operation mit beiden Elternteilen nicht zwingend notwendig gewesen sei, da es sich aus chirurgischer Sicht um einen einfachen Eingriff handelte. Auch das Telefonat zwischen dem Anästhesisten und dem Vater wird vom BGH als ausreichend angesehen, da sowohl die Dauer (15 min) als auch der Gesprächsverlauf den Anforderungen an ein Aufklärungsgespräch entsprachen. In Routinefällen ist die telefonische Einwilligung der Eltern in einen operativen Eingriff nicht ungewöhnlich. Allerdings hat der Arzt die Verpflichtung, sich zu vergewissern, dass der Einwilligende alle Informationen verstanden hat. Der Patient oder die Eltern haben aber dennoch die Möglichkeit, auf ein persönliches Aufklärungsgespräch zu bestehen. Für die Eltern bestand die Möglichkeit am Morgen vor dem Eingriff Fragen zu stellen. Da keine Fragen mehr auftraten, konnte der Anästhesist zu Recht annehmen, dass der Vater die Mutter über den Inhalt des Telefonats informiert hatte. Die Anforderungen an ein Aufklärungsgespräch sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofs damit insgesamt erfüllt worden.
OLG Köln vom 22.09.2012, Az: 5 U 211/08 „Aufklärung bei Ablehnung der Behandlung“
Die Mutter stellt sich mit ihrem seit drei Tagen an Brechdurchfall leidenden Säugling bei einem niedergelassen Arzt vor. Sie lehnt jedoch die angeratene Krankenhauseinweisung ab. Die in der Folge zu spät behandelte hypertone Dehydration führt zu einer dauerhaften schweren Schädigung des Kindes. Der Arzt hatte darauf hingewiesen, dass bei Nichteinweisung in ein Krankenhaus „eine Verschiebung der Salze eintreten könne, die mit dem Leben nicht vereinbar sei“. Das Gericht hielt diese Formulierung für unzureichend. Die Mutter, so die Ansicht der Richter, hätte konkret auf das Risiko schwerwiegender, andauernder Gesundheitsschäden bis hin zur Gefahr des Todes hingewiesen werden müssen.
BGH Urt. v. 28.01.2014, Az. VI ZR 143/13 keine übetriebenen Anforderungen an die Aufklärung
Von den Instanzgerichten übertriebene, beweisrechtliche Anforderungen an eine ordnungsgemäße ärztliche Aufklärung sind teilweise zu streng.
An den dem Arzt obliegenden Beweis einer ordnungsgemäß durchgeführten Aufklärung dürfen keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden.
Der Tatrichter habe bei der Beweiswürdigung die besondere Situation, in der sich der Arzt während der Behandlung des Patienten befindet, ebenso zu berücksichtigen, wie die Gefahr, dass sich aus dem Missbrauch einer Beweislast durch den Patienten zu haftungsrechtlichen Zwecken ergeben kann. Der Bundesgerichtshof betont, dass dem Arzt im Zweifel zu glauben ist, wenn ein Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht worden ist und bekundet wird, dass die Aufklärung im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen sei. Selbst dann, wenn sich der jeweilige Behandler an den konkreten Inhalt des Gespräches nicht mehr erinnern könne, führe dies nicht dazu, dass von einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung auszugehen ist. Es sei auch zu berücksichtigen, dass sich Patienten aus mehrerlei Gründen zum Teil an den genauen Inhalt der Gespräche gar nicht mehr erinnern können.Es bedürfe jedenfalls einer verständnisvollen und sorgfältigen Abwägung der tatsächlichen Umstände. Schriftliche Aufzeichnungen in der Behandlungsdokumentation über das Aufklärungsgespräch sowie den wesentlichen Inhalt seien nützlich und dringend zu empfehlen. Das Fehlen solcher Aufzeichnungen dürfe allerdings nicht dazu führen, dass der Arzt regelmäßig beweisfällig bleiben würde. Entscheidungserheblich sei ausschließlich das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patient.