Wegen der gestiegenen Zahl der alten Menschen und der Auflösung der traditionellen Familienstrukturen hat sich die Zahl der Betreuungen in Deutschland in den letzten Jahren auf 1,3 Millionen Fälle verdoppelt. Allein in Hamburg haben 24.000 Menschen einen gesetzlichen Betreuer- und die Beschwerden über deren Vorgehensweise häufen sich. Der zu Betreuende, der sich eventuell nicht mehr hinreichend äußern kann, kann auch in vermögensrechtlicher Hinsicht zum Spielball fremder Menschen werden. Weiterhin häufen sich in letzter Zeit die Fälle, dass an Kliniken bei nicht äußerungsfähigen Intensivpatienten viel zu häufig grundlos eine gesetzliche Betreuung eingerichtet wird. Hintergrund des letztgenannten Umstandes ist, dass seitens der Kliniken in fast allen Fällen – und damit leider in vielen unnötig – eine Betreuung für Intensivpatienten, zumindest für alle Patienten, die tracheotomiert werden, eine Betreuung beim Amtsgericht beantragt wird, ganz unabhängig davon ob jeweils eine Patientenverfügung und/oder General- und Vorsorgevollmacht tatsächlich vorliegen. Das Gericht wird damit in diesen Fällen bemüht, in denen eine Betreuung gesetzlich nicht in Frage kommt und wird daraus resultierend diese Anordnung ablehnen müssen. Dies sorgt insbesondere im Akutfall am Wochenende für große Verunsicherung, da das Betreuungsgericht dann zumeist nicht erreichbar ist. Es sorgt weiterhin für eine hohe Belastung der Gerichte, da diese den Fall zu prüfen und bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung erwartungsgemäß mitzuteilen haben, dass die Einrichtung einer Betreuung nicht in Frage kommen würde, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Ein gerichtliche Entscheidung über eine Betreuung ist nur dann notwendig, wenn
In § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ist (entsprechend dem Grundsatz der Erforderlichkeit) geregelt, dass eine Betreuung nicht angeordnet werden darf, wenn ein
Bevollmächtigter mit der Befugnis ausgestattet worden ist, die Angelegenheiten zu regeln. Der Bevollmächtigte darf nur in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Anstalt, einem Heim oder einer
sonstigen Einrichtung stehen, in welcher der Vollmachtgeber zu dieser Zeit untergebracht ist. Die Vorsorgevollmacht hat also vor der Betreuungsverfügung absoluten Vorrang.
Eine gerichtlich bestellte Betreuung ist nur dann erforderlich, falls keine Vorsorgevollmacht erstellt wurde, oder der Bevollmächtigte verhindert ist und kein Ersatzbevollmächtigter benannt
wurde. Bevor eine Betreuung angeordnet wird, besteht Anspruch auf eine persönliche Anhörung durch den Richter und auf die Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das in
regelmäßigen Abständen wiederholt werden muss.
Durch eine Vorsorgevollmacht wird nach deutschem Recht ein Mensch bevollmächtigt einen anderen Menschen, im Falle einer Notsituation, bzw. in entsprechend der Vollmacht
geregelten Fällen, alle oder bestimmte Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Mit der Vorsorgevollmacht wird der Bevollmächtigte Vertreter des Willens des nun zur Entscheidung unfähigen
Vollmachtgebers. Deshalb setzt eine Vorsorgevollmacht unbedingtes und uneingeschränktes persönliches Vertrauen zum Bevollmächtigten voraus und sollte nicht leichtfertig erteilt werden. Wird
hingegen keine Vorsorgevollmacht ausgestellt wird, kann im Notfall niemand anderes als das Betreuungsgericht und der dann gesetzlich zu bestellende Betreuer handeln. Dies geschieht auf Antrag
beispielsweise des Hausarztes oder des Krankenhauspersonals. Das Betreuungsgericht bestimmt dann einen Betreuer. Soweit sich eine Vertrauensperson aus dem Angehörigenkreis finden lässt, wird
diese bestellt, ansonsten wird ein Berufsbetreuer bestellt. Die Angehörigen können ohne Vorsorgevollmacht und ohne gerichtliche Bestellung zum Betreuer den zu Betreuenden nicht vertreten, sogar
dann nicht, wenn sie damit allerbeste Absichten verfolgen und im Sinne des Angehörigen handeln würden.
Diese Rechtslage verhindert, dass in einer Notsituation andere Personen, auch Angehörige, Entscheidungen treffen können, die eventuell nicht in Sinne des Betreuten sind.
Bei Entscheidungen von Bevollmächtigten oder Betreuern im Hinblick auf die Einwilligung oder Nichteinwilligung in ärztliche Maßnahmen, bei denen für den Patienten Lebensgefahr besteht oder deren
Unterlassen den Tod zur Folge haben kann, bedarf es nicht der Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Voraussetzung ist jedoch, dass zwischen dem Arzt und dem Bevollmächtigten
bzw. Betreuer Konsens besteht und in Übereinstimmung mit dem bestenfalls in der Patientenverfügung geäußerten – anderenfalls zu ermittelnden - Willen des Patienten gehandelt wird.
Bestehen Zweifel, (beispielsweise weil die bloße Vorsorgevollmacht eine unzureichende Handlungsgrundlage bietet) muss das Betreuungsgericht entscheiden. So muss das
Betreuungsgericht entscheiden, wenn der Bevollmächtigte eines im Sterbeprozess befindlichen Patienten die Weiterbehandlung ablehnt, der Arzt sie aber anbietet.
Der Bevollmächtigte kann eigenständig eine medizinische Behandlung nur abbrechen, soweit mit dem behandelnden Arzt Konsens
besteht und die Entscheidung dem Willen oder mutmaßlichen Willen des Patienten in seiner Patientenverfügung entspricht.
Ist der Arzt hingegen anderer Meinung, muss das Betreuungsgericht den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen genehmigen. Der Bevollmächtigte kann also seine Einwilligung in eine
von Arztseite angebotene lebenserhaltende oder lebensverlängernde Behandlung nur mit Zustimmung des Betreuungsgerichts wirksam verweigern.
Die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung können jederzeit widerrufen werden. Es bleibt ausschließlich die freie und persönliche Entscheidung des Verfügenden, wenn sich für den in der
Patientenverfügung geregelten Fall seine/ihre Einschätzung ändert. Jederzeit können die schriftlichen Verfügungen inhaltlich den neuen Vorstellungen angepasst werden. Dabei ist auch der
medizinische Fortschritt zu berücksichtigen. Eine Behandlung, die heute noch nicht möglich ist, kann in späteren Jahren durchaus lebensrettend sein.
Wenn der Bevollmächtigte tatsächlich nicht erreichbar ist, ist dies in der Praxis eine schwierige Situation. Sie kann aber rein rechtlich aufgefangen werden. Der einfachste Weg ist, dass in der
Vorsorgevollmacht der Bevollmächtigte ermächtigt wird, bei einer vorübergehenden Verhinderung, in einzelnen Angelegenheiten einer anderen Person Untervollmacht zu erteilen. Auch bereits in der
Vorsorgevollmacht kann ein Ersatzbevollmächtigter bestellt werden. Dazu ist zu bestimmen, wann die Ersatzvollmacht in Kraft treten soll (Widerruf der Vollmacht, nicht nur vorübergehende
Verhinderung oder Tod des Erstbevollmächtigten). Der Widerruf kann sichergestellt werden, indem eine bestimmte Person zum Widerruf bevollmächtigt wird. Dann tritt die Ersatzbevollmächtigung in
Kraft. Sind diese Maßnahmen nicht getroffen worden und bleibt der Bevollmächtigte nicht auffindbar, ist wiederum das Betreuungsgericht zu verständigen.
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Relevante Urteile:
Autorin: RA'in Claudia Holzner, LL.M., Hamburg